Beim Frauenanteil in Führungsetagen ist Deutschland mit drei Prozent internationales Schlusslicht. EU erwägt europaweite Verpflichtung.

Brüssel. Europa rückt einen Schritt näher an eine verpflichtende Frauenquote für Unternehmen. EU-Grundrechtekommissarin Viviane Reding könnte noch in diesem Sommer Gesetzesvorschläge für eine europaweite Vorgabe für die Führungsgremien von Konzernen machen.

Derzeit sei nur eines von sieben Vorstandsmitgliedern bei führenden europäischen Unternehmen weiblich, teilte die Kommission am Montag in Brüssel mit. Seit 2010 habe ihr Anteil zwar zugenommen, dennoch würde es bei dieser Geschwindigkeit vier Jahrzehnte dauern, bis ein ungefährer Gleichstand der Geschlechter erreicht wäre.

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„Ich bin zu allem bereit“, sagte Reding im Interview mit der Tageszeitung „ Die Welt “. „Ich bin kein Fan von Quoten. Aber ich mag die Ergebnisse, die Quoten bringen.“ Mit freiwilligen Lösungen würden hingegen häufig keine großen Fortschritte erzielt. „In zwei Dritteln der Mitgliedsländer sehen wir nur Stillstand, das ist völlig ungenügend, ja, lächerlich“, sagte Reding der Zeitung.

Der Aufruf der Kommissarin an europäische Unternehmen im Frühjahr 2010, den Frauenanteil freiwillig zu erhöhen, blieb weitgehend folgenlos. Nur 24 Firmen haben die Selbstverpflichtung bisher unterzeichnet.

Zwar sei der europaweite Zuwachs in den vergangenen beiden Jahren mit knapp zwei Prozent so hoch wie selten gewesen, teilte die Kommission mit. Allerdings gehe bereits die Hälfte davon auf Frankreich zurück, das 2011 gesetzliche Vorgaben machte. Quoten für private Unternehmen gibt es laut EU-Kommission bisher neben Frankreich nur in Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien. Nicht in jedem dieser Länder gibt es Sanktionen, wenn die Quote nicht eingehalten wird.

Deutsche Unternehmen holen bei der Frauenförderung insgesamt einer Studie zufolge etwas auf. Inzwischen investieren rund 80 Prozent in die Förderung von Frauen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey hervorgeht.

Viele Programme seien aber erst seit 2010 eingeführt worden. Daher bleibt Deutschland mit Blick auf den Frauenanteil in den Vorstandsetagen mit drei Prozent internationales Schlusslicht. Immerhin sei fast jede fünfte Neubesetzung eins Dax-Vorstandsposten im vergangenen Jahr eine Frau gewesen, hat McKinsey errechnet. Derzeit sind nach dpa-Zählung sieben Frauen in den Vorständen der 30 Dax-Konzerne vertreten, zwei weitere treten einen solchen Posten im Mai an.

In Deutschland hat sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bisher offen für eine feste Quote für Großunternehmen gezeigt, Kanzlerin Angela Merkel und Familienministerin Kristina Schröder (alle CDU) lehnen dies ebenso wie der Koalitionspartner FDP jedoch ab. „Es gibt handfeste betriebswirtschaftliche Gründe für einen angemessenen Anteil an Frauen in Führungspositionen“, sagte von der Leyen dem „Tagesspiegel“. Die Linken-Politikerin Yvonne Ploetz betonte mit Blick auf Redings Vorstoß: „Brüssel hat Berlin überholt.“

SPD-Vize Manuela Schwesig sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Dienstag), ein Gesetzgebungsverfahren sei längst überfällig und biete eine klare Perspektive für Frauen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock betonte: „Die freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Politik ist schlicht gescheitert.“

Die EU-Kommission will nun bis Ende Mai die Öffentlichkeit befragen. Von den Ergebnissen wird abhängen, ob die Brüsseler Behörde einen Gesetzesvorschlag macht oder nur eine Empfehlung. Dabei will Kommissarin Reding auch Vorschläge sammeln zur Höhe der Quote, betroffenen Unternehmen, Zeitvorgaben und Sanktionen.

Außerdem kündigte Reding eine Initiative großer europäischer Management-Hochschulen an. Diese wollten am Dienstag eine Liste mit 2500 hochqualifizierten Frauen veröffentlichen, die „vorstandsfähig“ seien. „Ich denke, dann wird jeder wissen, dass Talent verfügbar ist“, bekräftigte die Europa-Politikerin. (dpa/abendblatt.de)