Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro-Rettungsschirm ESM wollen die steigenden Zinsen der Euro-Krisenländer einem Bericht zufolge mithilfe einer Doppelstrategie eindämmen.

München. Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Euro-Rettungsschirm ESM wollen die steigenden Zinsen der Euro-Krisenländer einem Bericht zufolge mithilfe einer Doppelstrategie eindämmen. EZB-Präsident Mario Draghi werde dazu bei der Sitzung des Rates der Zentralbank am Donnerstag einen Plan für eine konzertierte Aktion beider Institutionen vorlegen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ, Donnerstagausgabe). EZB und ESM sollten demnach den Kauf von Staatsanleihen etwa aus Spanien oder Italien koordinieren, um so deren Zinslast zu senken.

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Der Plan sieht laut SZ vor, dass der ESM den Regierungen auf dem sogenannten Primärmarkt in kleinerem Umfang direkt Anleihen abnimmt. Die EZB solle dagegen zugleich Papiere aufkaufen, die bereits auf dem Markt gehandelt werden. Die Frankfurter Zentralbanker haben in der Vergangenheit bereits 211 Milliarden Euro in Bonds kriselnder Euroländer investiert. Die Käufe sind allerdings umstritten, seit dem Frühjahr ruhten sie. Auf der regulären EZB-Ratssitzung zeichnet sich dem Bericht zufolge nun eine Mehrheit dafür ab, die Käufe wieder aufzunehmen und sie mit den Regierungen zu koordinieren.

Vor allem die Bundesbank hält wenig von Bond-Käufen allein durch die EZB. Die Regierungen der Krisenstaaten müssen dafür nicht im Gegenzug wirtschaftliche Reformen einleiten und den Haushalt sanieren. Wäre künftig auch der ESM beteiligt, müsste jedes Land dagegen zunächst einen offiziellen Hilfsantrag stellen, der an die Erfüllung von Auflagen geknüpft wäre und dem auch der Bundestag zustimmen müsste.

Finanzexperte hält Eingreifen der EZB für besten Weg

Dass die EZB eingreifen wird, glaubt auch Finanzexperte Markus Rudolf. „Ich vermute, dass das Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen fortgesetzt wird und die EZB dann spanische und italienische Papiere erwirbt“, sagte der Professor für Finanzwirtschaft an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar im dapd-Interview.

„Entweder wir Deutschen geben den Italienern Geld oder die EZB tut es“, begründete Rudolf seine Ansicht. Ein Eingreifen der EZB sei der billigste und beste Weg, um die Währungsunion zu retten. „Es werden ein paar Dutzend Milliarden zusammenkommen“, sagte Rudolf. „Das hat schon einen entlastenden Effekt.“

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat die EZB von der Wiederauflage ihres Anleihen-Kaufprogramms gewarnt. Damit würde sie gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen und letztlich zu einer Enteignung der Bürger über eine Inflationsförderung beitragen, sagte Bosbach am Donnerstag dem ARD-Morgenmagazin. Zugleich warnte Bosbach Kanzlerin Angela Merkel davor, den Forderungen nach immer mehr Geld für die Hilfen an Krisenstaaten nachzugeben.

Zur Forderung, die EZB solle wieder Anleihen von Euro-Krisenstaaten ankaufen und damit Zinsdruck von ihnen nehmen, sagte Bosbach: „Genau das ist nicht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank.“ Ihre Statuten schlössen die Staatsfinanzierung vielmehr aus. Die EZB müsse für Geldwertstabilität sorgen. „Die Inflation ist auch eine Gefahr, und insbesondere eine Gefahr für den kleinen Mann. Das ist die kalte Enteignung“, warnte er. Wenn die Inflation über dem Zins für Guthaben liege, dann verlören die Bürger real Vermögen. Zudem sei problematisch, dass es für EZB-Anleihenkäufe keine Auflagen für die Staaten gebe. Außerdem gelte, wenn man den Ländern den Zinsdruck nehme, werde ihre Reformbereitschaft sinken.

Bosbach forderte die Kanzlerin auf, in dieser Diskussion hart zu bleiben. „Wenn sie bei ihrer Überzeugung bleibt, kann sie nur gewinnen“, sagte er. Wenn man nicht die wahren Ursachen der Krise angehe, die hohe Verschuldung und Mängel im Wettbewerb, verliere man. Wer immer mehr Geld in die Märkte pumpe, kaufe sich vielleicht etwas Zeit, „aber wir gehen einem ganz, ganz bitteren Ende entgegen“, warnte er. Im Übrigen stehe Deutschland in dieser Debatte in der Erro-Zone nicht alleine. Es gebe Unterstützung von den Finnen, den Österreichern und den Niederlanden. „Aber alleine sind wir nicht“.

Bosbach warnte, je mehr Länder Hilfe benötigten und unter die Rettungsschirme schlüpften, je größer werde die Gefahr, dass auch Deutschland als Geld-Geber und Hafter am Ende immer mehr von den Schuldenländern abhängig werde. „Wir dürfen doch nicht so tun, als wenn die Rettungsfähigkeit Deutschlands völlig unbegrenzt werden“, sagte Bosbach.

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) befürwortet dagegen einen Kauf von Staatsanleihen durch EZB. „Es ist richtig, dass man in einer solchen Notfallsituation auch daran denkt, dass die EZB ihre Staatsanleihenkäufe wieder aufnimmt“, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“. Dies dürfe aber kein Dauerzustand werden, sonst entstehe Inflationsdruck. „Die EZB kauft sich damit nur Zeit, das ist keine Lösung der Krise“, sagte Kemmer.

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WDHLG-Dax startet kaum verändert - Anleger warten auf EZB

Vor der mit Spannung erwarteten EZB-Pressekonferenz haben die Anleger am Donnerstagmorgen die Füße still gehalten. Der Dax lag kurz nach Handelsstart 0,1 Prozent im Minus bei 6746 Punkten. EZB-Chef Mario Draghi hatte in der vergangenen Woche Hoffnungen auf ein neues Anleihenkaufprogramm der EZB geweckt als er erklärte, die Notenbank werde alles zur Rettung des Euro tun. Draghi wird sich nach dem EZB-Zinsentscheid um 14.30 Uhr MESZ den Fragen der Journalisten stellen.

Zu den größten Gewinnern im Dax zählten am Donnerstag die Aktien der Lufthansa mit einem Plus von 2,6 Prozent. Die Fluggesellschaft hatte für das zweite Quartal einen operativen Gewinn ausgewiesen, der über den Erwartungen der Analysten gelegen hatte. Von Quartalszahlen profitierten auch die Aktien der Deutschen Post, sie stiegen um 2,7 Prozent.

Auf der Verliererseite weit oben standen Adidas mit einem Abschlag von 2,4 Prozent, obwohl der Sportartikelhersteller die Prognosen der Analysten übertroffen hatte. Unter Druck gerieten die Aktien des Gesundheitskonzerns Fresenius. Die Titel rutschten um drei Prozent ab.

Mit Material von dapd, dpa und rtr