Autokrise in der EU offenbart Zweiklassen-Gesellschaft und sorgt mit dem “Blutbad“-Vorwurf von Fiat in Richtung für VW für Streit.

Wolfsburg/Rom/Brüssel. Im Streit zwischen Branchenführer Volkswagen und dem angeschlagenen Autobauer Fiat hat sicht die EU-Kommission eingeschaltet und Europas größten Autobauer Volkswagen in Schutz genommen. „Mir sind keinerlei Hinweise auf Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung oder unfaire Geschäftspraktiken von Volkswagen bekannt“, sagte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Freitag in Brüssel.

Die EU-Kommission könne den Fall nicht weiter kommentieren, da sie keine Details kenne. Fiat hatte Volkswagen vorgeworfen, eine rücksichtslose und zerstörerische Preispolitik zu betreiben.

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Hintergrund ist ein von der „New York Times“ zitierter Vorwurf von Fiat-Chef Sergio Marchionne, Volkswagen betreibe eine rücksichtslose und zerstörerische Preispolitik. „Bei der Preisgestaltung gibt es ein Blutbad. Das ist ein Blutbad bei den Margen“, wurde Marchionne zitiert. Indem die Wolfsburger aggressive Rabatte gewährten, nutzten sie die Krise, um Marktanteile zu gewinnen.

VW forderte den Vorsitzenden des europäischen Autohersteller-Verbandes Acea, Fiat-Chef Marchionne, zum Rücktritt auf. Marchionne sei als Präsident des Verbandes untragbar und solle gehen, erklärte VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem am Donnerstagabend.

Von Fiat oder Marchionne gab es bis zum Freitagmittag keine Reaktion auf die Aussagen von VW.

VW-Kommunikationschef Grühsem hatte erklärte, angesichts der Äußerungen Marchionnes sei auch ein Austritt aus dem Acea eine Option für Volkswagen. VW ist ein Schwergewicht in dem Verband. Der 1991 gegründete Autobauer-Verband Acea vertritt die Interessen von 16 Herstellern von Autos, Lastwagen und Bussen auf europäischer Ebene und gilt als einflussreicher Verband.

Fiat leidet unter massiven Absatzproblemen. Marchionne wiederum ist für markige Aussagen bekannt. So hatte er Anfang des Jahres gefordert, Europa brauche einen zweiten starken Autobauer und damit ein Gegengewicht zu VW. Anfang 2011 hatte der Fiat-Chef aus Ärger über ein angebliches Werben von VW um Alfa Romeo Interesse an den beiden VW-Beteiligungen MAN und Scania bekundet, dies aber wenig später als „Witz“ bezeichnet.

Der Konflikt zwischen VW und Fiat kommt zu einer Zeit, in der der Fahrzeugmarkt in der EU seit Monaten auf Talfahrt ist – vor allem in den Euro-Krisenländern Spanien und Italien, aber auch in Frankreich. Dies trifft die Hersteller hart, die von Europa abhängig sind – neben der europäischen Nummer zwei PSA Peugeot Citroën sind dies auch Opel und Fiat. Sie kämpfen mit Überkapazitäten.

Der VW-Konzern dagegen ist dank seiner breiten Aufstellung und der Stärke vor allem in China und den USA auf Erfolgskurs. Im ersten Halbjahr verdiente der Konzern laut Zahlen vom Donnerstag unterm Strich mehr als 8,8 Milliarden Euro, fast 36 Prozent mehr als bis zur Jahresmitte 2011.

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Die Autoindustrie steuert daher immer mehr auf eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu. Zu den Gewinnern zählen derzeit auch die deutschen Oberklasse-Hersteller Daimler – wenngleich Daimler einen Gewinnrückgang gemeldet hatte – und BMW. Auch Porsche profitiert weiter von dem ungebrochenen Ansturm auf Luxusautos in den USA und in China. Der Sportwagenbauer legte am Freitag glänzende Zahlen vor.

Dagegen sieht es bei Opel, PSA und Fiat düster aus. Der französische Autokonzern PSA Peugeot Citroën steckt tief in den roten Zahlen und kündigte am Mittwoch ein Milliarden-Sparprogramm an. Der zweitgrößte französische Autobauer Renault meldete am Freitag ebenfalls erhebliche Gewinneinbußen, hielt sich aber in den schwarzen Zahlen. Fiat kämpft auch, profitiert aber von der Stärke seiner US-Tochter Chrysler.

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Um die Kunden zu locken, sind derzeit alle Hersteller auf dem europäischen Automarkt mit Rabatten unterwegs – auch in Deutschland. Die Kundenvorteile für Autokäufer hätten ein Rekordniveau erreicht, hieß es in einer am Montag vorgelegten Studie des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen. Das Rabattniveau zeige, dass der deutsche Automarkt in den nächsten Monaten vor einer Rezession stehe, sagte der Leiter des Instituts, Ferdinand Dudenhöffer. Der bisher ertragreiche Markt Deutschland werde für immer mehr Hersteller zu einem „Verlustmarkt“.

Die durchschnittlichen Rabatte für die 30 beliebtesten Neuwagen im Privatkundenmarkt seien im Vergleich zum Juni um einen Punkt auf 19 Prozent gestiegen. Zu Jahresbeginn lag der durchschnittliche Nachlass noch bei 15,9 Prozent. Die höchsten Preisabschläge seien für den Fiat Punto (30,6 Prozent), den Opel Corsa (31,3 Prozent) und den Opel Astra (30,9 Prozent) ermittelt worden. Auch VW biete hohe Rabatte, hieß es in der Studie. Der Preiskampf sei zudem bei den Oberklasse-Herstellern angekommen. (dpa/abendblatt.de)