Ministerpräsident Mariano Rajoy plant ein drastisches Sparprogramm für das schuldengeplagte Spanien. Staatliche Firmen werden verkauft.
Madrid. Im Kampf gegen die dramatische Haushaltslage hat der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy dem schuldengeplagten Euro-Land ein umfassendes Spar- und Reformprogramm verordnet. Einen Tag nachdem die EU die Defizitziele für die Regierung in Madrid lockerte, präsentierte Rajoy gestern im Parlament Steuererhöhungen und Kürzungen, die in den nächsten zweieinhalb Jahren dem Staat 65 Milliarden Euro einbringen sollen. Ein zentraler Punkt ist die Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Punkte auf21 Prozent. "Diese Maßnahmen sind nicht angenehm, aber sie sind notwendig", betonte Rajoy in seiner von Buhrufen unterbrochenen Rede.
"Wir leben in einer entscheidenden Zeit, die über die Zukunft unserer Familien, unserer Jugend, unseres Wohlfahrtssystems und über all unsere Hoffnungen bestimmt", sagte der Regierungschef. "Wir müssen raus aus dem Schlamassel, und zwar so schnell wie möglich." Tausende Bergwerksarbeiter marschierten während der Rede durch die Straßen von Madrid und protestierten gegen Kürzungen bei den Kohlesubventionen.
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Die Mehrwertsteuer könnte Regierungskreisen zufolge bereits ab Anfang August steigen. Im Wahlkampf hatte Rajoy noch zugesagt, die Mehrwertsteuer nicht anzufassen. Jetzt bleibe ihm aber nichts anderes mehr übrig, sagte der konservative Politiker vor den Parlamentariern. Experten befürchteten, dass die Erhöhung den wichtigen Konsum abwürgt, weil Waren teurer werden. Die Einkommenssteuer soll in der viertgrößten Volkswirtschaft dagegen sinken. Damit verschiebt sich die Steuerlast von der Arbeit stärker auf den Konsum.
Auch die Hilfen für Arbeitslose kommen in dem Land, in dem jeder zweite junge Spanier ohne Job dasteht, auf den Prüfstand. Zudem sollen eine Verwaltungsreform und die Trennung von Staatsfirmen das Budget aufbessern. Der Verkauf von Flughafen-, Eisenbahn- und Hafenvermögen soll Geld in die Kassen spülen. Ministeriums-Etats werden gekürzt, Steuervergünstigungen bei Immobilien stehen auf der Streichliste. Weniger Geld in der Tasche werden Beamte haben. Die Leistungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden runtergefahren. Auch das Weihnachtsgeld im höheren Dienst fällt in diesem Jahr aus. Die Pensionen rührte Rajoy bei seinem Rundumschlag aber nicht an. Dafür wird Energie stärkerbesteuert. Ein ursprüngliches Reformpaket sah Einsparungen von 48 Milliarden Euro für 2012 vor - zu wenig, um das Schulden-Land wieder auf Kurs zu bringen.
Die EU-Kommission begrüßte das Spar- und Reformprogramm als wichtigen Schritt zur Sanierung des öffentlichen Haushalts. Die Finanzminister der Europäischen Union hatten weitere Einschnitte zur Bedingung für die Lockerung des Defizitziels gemacht. Zugleich kündigte die EU-Kommission in Brüssel an, auch eine Beteiligung des Privatsektors an der Sanierung der spanischen Banken sicherstellen zu wollen. Dem Steuerzahler dürfe kein ungerechter Anteil an den Lasten aufgebürdet werden, sagte ein Sprecher der Kommission in Brüssel.
Experten bezweifeln allerdings, dass Rajoy mit dem Paket Spanien aus dem Schuldensumpf ziehen kann. "Die Strategie ist riskant", schreiben etwa die Analysten der Berenberg-Bank. Die spanische Regierung gehe die Probleme des Landes zwar ernsthaft an. Die ausgebremsten Staatsausgaben könnten die Wirtschaft aber weiter schwächen, und es bestehe die Gefahr einer Abwärtsspirale wie in Griechenland.
Mit dem massiven Sparprogramm will Rajoy den zunehmenden Sorgen entgegentreten, Spanien müsse möglicherweise wie Griechenland, Portugal und Irland komplett unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen. Die Renditen für zehnjährige spanische Staatsanleihen durchbrachen bereits die Sieben-Prozent-Grenze, was langfristig für den Staat als nicht mehrfinanzierbar gilt.