Eine Studie der IG Metall zeigt Tiefstand bei den Belegschaften. Wirtschaftsprofessor schlägt im Konflikt um Blohm + Voss Schlichtung vor.
Hamburg. Im Poker um Hamburgs Traditionswerft Blohm + Voss hat der Bremer Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel ThyssenKrupp zum Dialog mit der Bremer Lürssen-Werft aufgefordert. "Der Konzern sollte mit dem Bewerber reden", sagte Hickel gestern bei der Vorstellung der 20. Schiffbau-Umfrage der IG Metall Küste und des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen in Hamburg. Bisher verhandelt ThyssenKrupp nur mit dem britischen Finanzinvestor Star Capital Partners und lehnt Gespräche mit Lürssen ab. Auch die Betriebsräte von Blohm + Voss haben sich bisher gegen den Vorstoß der Bremer Werft ausgesprochen. "Für ein Gespräch mit Lürssen könnte ein Schlichtung unter Führung der IG Metall versucht werden", schlägt Hickel nun vor. Zudem müssten sowohl das Angebot der Briten als auch das des deutschen Mittelständlers offengelegt und genau geprüft werden.
Für die IG Metall Küste ist klar: Der neue Eigner von Blohm + Voss muss Standort und Arbeitsplätze sichern und ein industrielles Konzept für Yachten und Marineschiffe bieten. "Soweit wir das wissen, gibt dies das Konzept von Lürssen nicht her", sagte Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der IG Metall Küste. "Die Betriebsräte sorgen sich um den Standort."
Die Entscheidung über den Verkauf liege bei den "jetzigen Eigentümern", sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor dem Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Der Hamburger Senat stehe aber in Kontakt mit den beteiligten Unternehmen und möglichen Käufern. Wer aber Blohm + Voss erwerbe, ist Scholz sicher, bekomme eine Perle und könne sich auf die politischen Rahmenbedingungen verlassen. Der geplante Verkauf von Hamburgs Traditionswerft, zu der mitsamt der Entwicklungssparte für den Marineschiffbau 1900 Arbeitsplätze zählen, findet vor dem Hintergrund eines weiteren Arbeitsplatzabbaus im Schiffbau statt. Innerhalb von zwölf Monaten ist die Zahl der Beschäftigten um gut 400 auf noch 16 351 geschrumpft. "Das ist ein historischer Tiefstand", sagte Thorsten Ludwig, einer der Autoren der Studie.
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Seit 2008 sind damit rund 4200 Jobs weggefallen. Als die Studie vor 20 Jahren zum ersten Mal aufgelegt wurde, zählte die IG Metall noch 58 000 Mitarbeiter auf den Werften. Kurzarbeit gibt es derzeit noch auf 14 von insgesamt 41 deutschen Betrieben. Zwölf Unternehmen haben bis maximal April 2012 eine Verlängerung beantragt, geht aus der Studie hervor. Dennoch seien nun 15 statt bisher zwölf Prozent der Beschäftigten Leiharbeiter. Die höchsten Quoten betragen inzwischen sogar knapp 50 Prozent.
Für den Wandel der Branche zum Spezialschiffbau setzt die Gewerkschaft nun auf die aufstrebende Offshore-Branche. "Dafür brauchen wir die Qualifikation der Ingenieure und Werker", sagte Geiken. Zusammen mit Hickel forderte er gestern eine über das Bundeswirtschaftsministerium koordinierte Strategie, um mehr Aufträge für Schiffe zum Aufbau von Windkraftanlagen oder Umspannplattformen nach Deutschland zu holen. "Wir hatten auf Wirtschaftsminister Philipp Rösler gehofft, haben aber keinen Rückenwind bekommen", kritisierte Geiken.
Das Potenzial schätzt die Gewerkschaft als vielversprechend ein. "Bekannt ist, dass derzeit fünf oder sechs Spezialschiffe bis zu 180 Anlagen im Jahr aufbauen können. Die Regierung rechnet aber künftig in diesem Zeitraum mit bis zu 1000 Anlagen", sagte Studienautor Ludwig.
Scharfe Konkurrenz erwartet die IG Metall vor allem aus Großbritannien. "Dort sieht die Regierung die Förderung der Offshore-Technologie als nationale industriepolitische Aufgabe, obwohl bis zu 80 Prozent für die Spezialschiffe im Ausland zugekauft werden müssen", sagte Ludwig. In Deutschland dagegen könnten 80 Prozent der Arbeiten von den Firmen allein übernommen werden. Künftig, so ein Vorschlag, könnten etwa die von der Förderung der Windenergie profitierenden Energiekonzerne verpflichtet werden, einen bestimmten Teil der Aufträge für Schiffsneubauten im Land zu vergeben.
Positiv bewertet die IG Metall in der Studie die Ausbildungsquote der Werften. Sie liegt 2011 bei 7,9 Prozent und damit nur um 0,16 Prozentpunkte unter dem Vorjahr. "Die Herausforderung ist, diese Auszubildenden auch zu übernehmen", sagte Ludwig. Derzeit erhalten zwei Drittel der Absolventen unbefristete Verträge. Nur ein Drittel wird, wie im Tarifvertrag festgelegt, zunächst nur befristet für ein Jahr angestellt. Immerhin konnten einige Werften ihre Auftragslage verbessern. So hat sich die Spanne bis zur Ablieferung des letzten derzeit bestellten Schiffes beim Spitzenreiter Meyer Werft gegenüber 2010 um zwölf auf 44 Monate verlängert. Bei der Hamburger Sietas-Werft beträgt der Zeitraum zwölf Monate: Fünf Monate mehr als zuvor.