Blohm + Voss könnte aufgeteilt werden. Mutterkonzern ThyssenKrupp steckt mitten in einem tief greifenden Umbauprozess
Hamburg. Die Aussichten für Blohm + Voss sind nicht gut. Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Mutterkonzern ThyssenKrupp in Düsseldorf schon in den kommenden Wochen den zivilen Schiffbau bei Hamburgs letzter Großwerft verkauft - womöglich an einen europäischen Finanzinvestor, der das Unternehmen danach in Einzelteile zerlegt und weiterveräußert.
Den militärischen Teil - den Bau von Fregatten und Korvetten - will ThyssenKrupp nach den gescheiterten Verhandlungen mit Abu Dhabi Mar (ADM) zunächst behalten. Fraglich ist aber, wie ein zerteiltes Blohm + Voss künftig am Markt bestehen könnte. "Ein industrielles Konzept für den zivilen Schiffbau bei Blohm + Voss hat uns ThyssenKrupp bislang nicht erklärt", sagt Heino Bade von der IG Metall Küste, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der ThyssenKrupp-Werftenholding TKMS ist.
Für Hamburg wäre ein Niedergang von Blohm + Voss ein herber Schlag. Die Werft besaß jahrzehntelang Weltgeltung. Das Reparaturgeschäft genießt nach wie vor einen sehr guten Ruf. Auch mit dem Bau der bislang größten Privatyacht, der 163 Meter langen "Eclipse" für den russischen Milliardär Roman Abramowitsch, erregte Blohm + Voss zuletzt noch einmal Aufmerksamkeit. Mit dem Yachtgeschäft insgesamt allerdings fuhr ThyssenKrupp in den vergangenen Jahren herbe Verluste ein.
Erneut werden nun Spekulationen laut, die französische Staats- und Marinewerft DCNS könnte mit Blohm + Voss zusammengehen, der Marineschiffbau zu einer Art "maritimer EADS" vereint werden, nach dem Vorbild des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Ein solches Begehr der Franzosen hatte ThyssenKrupp stets abgelehnt. Der Konzern wollte nicht mit einem französischen Staatsunternehmen kooperieren, das es vor allem auf deutsche Toptechnologie abgesehen hat. Auch heutzutage müsste ein solcher Zusammenschluss hohe Hürden überwinden: Eine Fusion sensibler deutscher Marinetechnologie mit einem französischen Werftunternehmen ist nicht im Sinne der Bundesregierung. Zudem würde eine "maritime EADS" auch industriell nur dann Sinn machen, wenn die Schiffssysteme in Deutschland und in Frankreich stark angepasst würden - was wenig wahrscheinlich ist. ThyssenKrupp steckt mitten in einem tief greifenden Konzernumbau, der selbst die Kernsparten des Stahlgeschäfts berührt. Die weitgehende Abwicklung des Schiffbaugeschäfts wirkt da nur wie eine Randnotiz. Jahrelang hatte ThyssenKrupp zur Mitte des vergangenen Jahrzehnts am Aufbau eines integrierten Schiffbaukonzerns unter dem Dach der Holding TKMS gearbeitet. Von den U-Booten der Kieler HDW-Werft über Containerschiffe der Nordseewerke in Emden bis zu Fregatten und Megayachten aus Hamburg hatte diese Gruppe eine breite Palette von Schiffstypen im Angebot. Letztlich scheiterte das Konglomerat, weil eine schlüssige Strategie fehlte.
Insider spekulieren nun, ob das erfolgreiche Bremer Werftunternehmen Lürssen möglicherweise große Teile von Blohm + Voss übernehmen könnte. Lürssen baut Großyachten und ist am Bau von Fregatten und Korvetten beteiligt. IG-Metall-Mann Heino Bade wiederum schließt nicht aus, dass ein mittelständisches Unternehmen mit industrieller Strategie Blohm + Voss kaufen könnte. Ganz nach dem Vorbild der Nordseewerke in Emden: Dort fertigen die ehemaligen Schiffbauer nun für den neuen Eigner Siag Schaaf Stahlsegmente für Offshore-Windkraftanlagen.