Management hat erhebliche Zweifel, ob das Angebot die gestellten Anforderungen erfüllen könne. Die Betriebsräte fühlen sich sogar “verhöhnt“.
Hamburg. Das Management von ThyssenKrupp führt mit der Bremer Lürßen-Werft keine Gespräche zur Übernahme von Blohm+Voss. „Auf dieser Basis ist das alles nicht debattierbar“, sagte Hans Christoph Atzpodien, der Vorstandschef von ThyssenKrupp Marine Systems. Er habe erhebliche Zweifel, ob das Angebot die Anforderungen erfüllen könne, die ThyssenKrupp an einen Erwerber stelle. Das Angebot entspreche bei weitem nicht der Darstellung in der Öffentlichkeit, sondern sei lückenhaft und beziehe sich nur auf Teile von Blohm+Voss. „Das ist nicht seriös, das machen wir nicht mit“, sagte Atzpodien. Schon zuvor lehnten die Betriebsräte das Angebot ab. "Wir sehen das sogenannte Angebot als eine Verhöhnung von Belegschaft und Konzern“, heißt es in einem Flugblatt der Betriebsräte der diversen Blohm+Voss-Unternehmen, das am Freitag verteilt wurde. Es sei Bedingung von Lürßen, dass hunderte von Stellen in Hamburg und Kiel abgebaut werden müssten. Da seien der Standort Emden und das Reparaturgeschäft noch nicht berücksichtigt. Der Konzern würde bei dem Lürßen-Angebot noch draufzahlen.
Großer Wirbel am Mittwochabend
Die Nachricht von der Offerte sorgte am Mittwochabend für großen Wirbel. Zwei der bekanntesten deutschen Werften, Hamburgs Blohm + Voss und die Bremer Lürßen Werft, beide mit jeweils mehr als 100 Jahren Tradition, könnten künftig zusammengehen. Es wäre ein Coup, wie es ihn seit Jahren in der gegen die asiatische Übermacht kämpfenden deutschen Schiffbaubranche nicht gegeben hat. Auslöser des Vorstoßes: Der Bremer Werftenchef Friedrich Lürßen, der am Mittwoch per Boten ein Angebot abgeben ließ. "ThyssenKrupp will seinen Schiffbau verkaufen. Daher sehen wir eine Möglichkeit, Blohm + Voss zu übernehmen", sagte Lürßen gestern in der Werftzentrale dem Abendblatt. Von dem Kaufangebot sind 1900 Arbeitsplätze, davon 1600 in Hamburg , betroffen.
Die neue Allianz, die bei der Zahl der Mitarbeiter zum deutschen Marktführer Meyer Werft aufschließen würde, wäre ein starkes, deutsches Gegengewicht zu der zumeist staatlichen Konkurrenz im europäischen Marineschiffbau. "Wenn die Übernahme gelingt, bleiben wir mit den Werften in Frankreich, den Niederlanden oder Italien auf Augenhöhe", sagte Lürßen.
+++ Bremer Werft Lürssen will Hamburger Blohm + Voss kaufen +++
+++ Britischer Investor greift nach Blohm + Voss +++
Hamburg soll in dem angestrebten Verbund das Kompetenzzentrum für den Marineschiffbau, also für Korvetten und Fregatten, werden. Der Name Blohm + Voss bliebe erhalten. Bei den Großyachten würden beide Betriebe voneinander profitieren. Lürssen ist mit sechs Aufträgen für Yachten für mehr als eine Milliarde Euro Weltmarktführer in diesem Bereich, beschäftigt 1400 Mitarbeiter und schreibt seit zehn Jahren schwarze Zahlen. Blohm + Voss hatte zuletzt zwar ebenfalls Großyachten geliefert, soll aber rote Zahlen eingefahren haben.
Zum Angebotspreis von Lürssen gab es gestern in Bremen keine Angaben. Das Gebot könnte jedoch im zweistelligen Millionenbereich liegen - ebenso wie das Gebot des britischen Fonds, mit dem ThyssenKrupp als Muttergesellschaft von Blohm + Voss derzeit über einen Verkauf verhandelt. Nach Informationen des Abendblatts handelt es sich dabei um Star Capital Partners, das 2010 den deutschen Kabelnetzbetreiber Pepcom übernommen hatte. Zum Namen des Fonds, der bisher geheim gehalten wird, äußerte sich eine ThyssenKrupp-Sprecherin nicht.
Blohm + Voss und Lürssen arbeiten derzeit beim Bau der vier Fregatten für die Deutsche Marine zusammen. Das Projekt erstreckt sich bis 2018 und hat einen Wert von 2,9 Milliarden Euro. "Wir würden den Auftrag, an dem Lürssen bisher zu 20 Prozent beteiligt ist, dann insgesamt übernehmen."
Inwieweit sämtliche Arbeitsplätze in Hamburg nach einem Kauf abgesichert werden könnten, ließ Lürßen offen. "Das lässt sich zu einem so frühen Zeitpunkt nicht überblicken. Wir steigen aber nicht ein, um Jobs abzubauen, sondern um den deutschen Marineschiffbau zu sichern", sagte der Werft-Chef. Neben der Werft und der Reparatur würde die Lürssen Werft auch den Maschinenbau und das Engineering für die Marineschiffe erwerben. Die Investitionen in Hamburg sehen die Bremer strategisch. Sie wollen langfristig Eigner der Hamburger Werft bleiben. Das steht im Gegensatz zum Vorgehen bei Finanzinvestoren, die Betriebe meist nach einigen Jahren weiterverkaufen.
Während der Betriebsrat von Blohm + Voss sich um mehr als 300 Arbeitsplätze sorgt und befürchtet, dass Lürssen nicht genug für Blohm + Voss bezahlen wolle, will die IG Metall Küste das neue Angebot zunächst genau prüfen. "Unerlässlich für uns ist ein industrielles Konzept mit dem Bau von zivilen und Marine-Schiffen sowie der Erhalt der Arbeitsplätze in den vier Betrieben von Blohm + Voss", sagte IG-Metall-Sprecher Heiko Messerschmidt. Gut sei in jedem Fall, dass es neues Interesse an der Traditionswerft gebe.
Die SPD-Bürgerschaftsfraktion äußerte sich gestern positiv zum Vorstoß aus Bremen. "Das Übernahmeangebot von Lürssen ist ein richtiges Signal und verspricht Hoffnung auf ein gutes Ende der seit Jahren schwelenden Zukunftsfrage um Blohm + Voss", sagte Jan Balcke, der Fachsprecher für Wirtschaft der SPD-Fraktion. Die Unternehmen ergänzten sich hervorragend und es eröffneten sich ausgezeichnete Synergien an den Standorten Hamburg und Bremen. "Eine Verzahnung bietet damit Chancen für eine gemeinsame erfolgreiche Zukunft", so Balcke. "Grundsätzlich finde ich eine solche Übernahme gut, da das Unternehmen in deutscher Hand bleibt", sagte Olaf Ohlsen, Fachsprecher Hafen der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Allerdings macht auch er sich Sorgen, dass im Yachtbau Synergien für einen Verlust der Hamburger Arbeitsplätze sorgen könnten.
Die ThyssenKrupp-Schiffbauholding TKMS, zu der Blohm + Voss zählt, bestätigte gestern das Angebot der Bremer. Es werde nun geprüft, "obwohl es nicht die in Verkaufsprozessen üblichen wirtschaftlichen Details enthält, da vorher kein Zugang zu den Verkaufsinformationen beantragt wurde", heißt es von ThyssenKrupp. Allerdings bestünden erhebliche Zweifel, ob das Angebot die eigenen Anforderungen erfüllen könne. Oberste Priorität habe für ThyssenKrupp, dass Blohm + Voss bei einem neuen Eigentümer bessere Entwicklungschancen hat und den Mitarbeitern eine langfristige Perspektive eröffnet wird. Davon dürfte Friedrich Lürßen überzeugt sein. Er hofft nun, dass ThyssenKrupp "die Gespräche mit uns bald aufnimmt".
Mit Material von dpa