Die Bundeskanzlerin redet auf mehreren Regionalkonferenzen ihrer Partei ins Gewissen. “Bis jetzt haben wir noch keinen einzigen Cent verloren.“

Oldenburg/Hamburg. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor Dominoeffekten durch einen möglichen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone gewarnt. „Ich mache keinen Schritt, wenn ich nicht weiß, welche Folgen dieser Schritt hat“, sagte die CDU-Vorsitzende am Wochenende vor mehr als 1.200 Parteimitgliedern bei einer Regionalkonferenz der Landesverbände Niedersachsen und Bremen in Oldenburg. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Konferenzen in Alsfeld und Dortmund fiel die Kritik der Basis an ihrer Euro-Rettungs-Politik verhalten aus. „Bevor man die Brücke abreißt, muss man wissen, was das für alle anderen Länder in Europa bedeutet“, ergänzte Merkel. Dominoeffekte, die erst Griechenland, dann Irland und Portugal und schließlich die gesamte Euro-Zone in Gefahr bringen, müssten verhindert werden. Es sei stattdessen Aufgabe der Bundesregierung, Solidarität mit Griechenland zu zeigen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das Land seine Hausaufgaben mache, sagte die CDU-Chefin. „Bis jetzt haben wir noch keinen einzigen Cent verloren“. Mit diesen Worten appellierte sie an die Basis, ihrem Kurs zu folgen.

Kritik übte Merkel in diesem Zusammenhang an den Entwicklern der Euro-Zone. Am allermeisten fehle es an einer europäischen Institution, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt kontrolliert und zugleich Ländern, die die Verpflichtungen nicht erfüllen, Auflagen erteilen kann. „Dieses Instrument habe ich noch nicht. Ich muss mit den Verträgen leben, die heute rechtlich sind“, sagte sie. Zugleich forderte Merkel ein Ende der Schuldenpolitik in Deutschland und Europa. „Wenn Wachstum da war, haben wir es verbraucht. Wenn kein Wachstum da war, haben wir Schulden gemacht. Damit ist Schluss. Wir müssen raus der Schuldenunion und rein in die Stabilitätsunion“, sagte die Bundeskanzlerin. Die Veranstaltung in Oldenburg war die dritte von insgesamt sechs CDU-Regionalkonferenzen. Auf den Treffen bis Anfang Oktober will die Parteispitze mit ihren Mitgliedern im Vorfeld des Bundesparteitags in Leipzig über den Kurs der Christdemokraten diskutieren.

Zum Ende der Woche hatte die Angst vor einer Verschärfung der Schuldenkrise heftige Turbulenzen an der Börse ausgelöst. Zeitweise notierte der Deutsche Aktienindex mit einem Minus von rund drei Prozent unterhalb der Marke von 5000 Punkten, schloss später aber im Plus. Auch der Euro verlor weiter an Wert. Vor dem Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington präsentierte die stellvertretende Chefin der EU-Kommission, Viviane Reding, derweil einen neuen Vorschlag gegen die Krise. Demnach sollen die sechs Euro-Staaten mit einem "AAA"-Rating - dies sind Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Österreich, die Niederlande und Finnland - gemeinsame Staatsanleihen ausgeben.

"Das wäre dann ein großer kerneuropäischer Anleihenmarkt - ein Fels in der Brandung, mit starker Liquidität und Bonität", sagte Reding der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Anders als bei einer Einführung gemeinsamer Staatsanleihen aller Euro-Länder, der sogenannten Euro-Bonds, sei dafür keine Änderung der EU-Verträge nötig, betonte Reding. Das von den "AAA"-Staaten aufgenommene Geld würde erst in einem zweiten Schritt an Not leidende Staaten wie Griechenland weitergegeben. Das Bundesfinanzministerium hält von diesem Vorschlag allerdings wenig. Die Ablehnung von gemeinsam gegebenen Anleihen gelte "ganz unabhängig davon, welche Teilgruppe man jetzt in Euro-Bonds mit einbeziehen würde", sagte Ministeriumssprecher Martin Kreienbaum.

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Anders als Reding beließen es die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) bei ihrem Treffen im Vorfeld der IWF/Weltbank-Tagung bei einer eher allgemeinen Erklärung. "Wir unternehmen starke Aktionen, um die Finanzstabilität zu erhalten, Vertrauen wiederherzustellen und das Wachstum zu unterstützen", hieß es. Im Kreis der G20 herrsche breiter Konsens, dass die zu hohen Defizite in den Staatshaushalten die Hauptursache für die Krise seien, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Euro-Zone sei aber beim Defizitabbau im Allgemeinen auf dem richtigen Weg.

Doch in den großen Schwellenländern sieht man dies offenbar anders. "Das Epizentrum der Krise ist dieses Mal die Europäische Union", sagte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega in Washington auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Vor drei Jahren seien es noch die USA gewesen, die die Welt in eine tiefe Finanzkrise gestürzt hätten. "Die aktuelle Situation erfordert entschiedenes Handeln", heißt es in einem Kommuniqué der BRICS-Staaten. Sie warfen den Industrieländern vor, mit ihren Defiziten die aufstrebenden Entwicklungsländer herabzudrücken. So werde durch eine Politik des billigen Geldes die Welt mit Liquidität geflutet, was für heftigen Inflationsdruck in den Schwellenländern sorge. So schafften die alten Industrieländer den Stoff, aus dem Währungskrisen und Abwertungswettläufe gemacht werden, klagt Indien - und in den etablierten Industrieländern hat man derzeit keine guten Argumente, diese Kritik abzuweisen. "Wir stehen gewaltig unter Druck", räumte einer der maßgeblichen Europäer ein.

Dass die großen BRICS-Länder so ohne Weiteres den mit ständigen Kapitalmarkt-Turbulenzen kämpfenden Europäern in großem Stil mit dem Kauf von Anleihen der Krisenländer unter die Arme greifen, wie von manchem auf dem alten Kontinent erhofft, erscheint jedenfalls eher unwahrscheinlich. Punktuell sind sie jedoch zu Unterstützung bereit: So steht das hoch verschuldete Zypern nach den Worten seines Präsidenten kurz vor dem Abschluss eines Abkommens mit Russland über einen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Russland fordere einen Zinssatz von 4,5 Prozent, deutlich weniger als andere potenzielle Kreditgeber, erklärte Präsident Dimitris Christofias. Wegen der engen Verbindung zyprischer Banken zum krisengeplagten Griechenland fordern andere Anbieter bis zu 14 Prozent Zinsen.

Im Hinblick auf Griechenland hatte Schäuble keine guten Nachrichten. So müsse das zweite Hilfspaket im Volumen von 110 Milliarden Euro womöglich wieder aufgeschnürt werden. Als Grund nannte Schäuble die Schwierigkeiten Griechenlands, die Bedingungen für die nächste Kredittranche des laufenden Rettungspaketes zu erfüllen. "Es würde mich überraschen, wenn sich zwar die Voraussetzungen für die Auszahlung der nächsten Tranche verändert hätten, aber nicht die Voraussetzungen für ein zusätzliches Paket für Griechenland", erklärte der Minister. Alles komme nun auf den nächsten Bericht der Troika an, die ihre Überprüfung der griechischen Sparbemühungen vor drei Wochen abgebrochen hatte. Die Experten von Europäischer Zentralbank (EZB), IWF und EU-Kommission hatten massive Mängel bei der Erfüllung der Sparvorgaben festgestellt. Auch die Rating-Agentur Moody's erhöhte den Druck auf Athen - sie senkte am Freitag die Bonitätsnote acht griechischer Banken.