Schwarz-Gelb debattiert über eine Griechenland-Pleite. Athen rutscht immer tiefer in die Rezession. Im Landes kommt es zu Protesten.

Thessaloniki/Hamburg. In der Diskussion über eine Pleite Griechenlands ist Staatsminister Werner Hoyer (FDP) auf Distanz zu Äußerungen von FDP-Chef Philipp Rösler gegangen. „Die Gefahr, dass es Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß. Behutsamkeit auch in der Wortwahl ist hier angesagt“, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt am Montag in Brüssel. Da es kein bewährtes Instrument für die geordnete Insolvenz eines Euro-Staats gebe, dürfe man mit dem Thema nicht herumspielen. Als erstes Mitglied der Bundesregierung hatte Wirtschaftsminister Rösler am Wochenende die Möglichkeit einer Staatspleite ins Gespräch gebracht. Eine geordnete Insolvenz sei denkbar, wenn dafür die Instrumente zur Verfügung stünden, hatte er erklärt.

Auch in einer offiziellen Stellungnahme wiedersprach die Bundesregierung Rösler. Man rechnet nach eigenen Angaben nicht mit einem Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone. „Wir wollen die gesamte Euro-Zone mit allen Mitgliedsstaaten stabilisieren“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Die europäischen Verträge sähen überdies weder einen freiwilligen Austritt noch den Ausschluss eines Landes aus der Währungsunion vor. „Die Rechtslage steht einem solchen Schritt schon einmal entgegen“, sagte Seibert.

Hintergrund der Debatte ist die weiterhin vorherrschende Unruhe in Griechenland. Am Wochenende protestierten erneut mehr als 20 000 Menschen gegen den Sparkurs der Regierung, mit dem das Land vor der Pleite gerettet werden soll. Die Polizei setzte Tränengas gegen Jugendliche ein, die in Thessaloniki im Norden des Landes Schaufensterscheiben einwarfen und Feuer legten. Bei einer Handelsmesse in der Stadt hatte sich der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou zuvor deutlich für einen Verbleib seines Landes in der Euro-Zone ausgesprochen. "Unsere oberste Priorität ist ein sicherer Kurs, um das Land vor dem Bankrott zu retten", sagte Papandreou. Den internationalen Geldgebern sicherte er zu, alles Erforderliche zu tun, um die ihnen gegebenen Zusagen zu erfüllen. "Wir haben uns entschieden, die Schlacht zu schlagen, um ein Desaster zu verhindern und im Euro zu bleiben." Im Kampf gegen die drohende Staatspleite soll jetzt eine neue Immobiliensteuer helfen. Daraus sollten bis zum Jahresende zwei Milliarden Euro in die Staatskassen fließen, sagten Mitarbeiter des Finanzministeriums.

Die wirtschaftliche Lage in dem südosteuropäischen Land wird dennoch immer bedrohlicher. So erwartet die Regierung in Athen einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch als bislang angenommen. "Die Prognose lag im Mai bei minus 3,8 Prozent. Jetzt übertreffen wir die (minus) fünf Prozent", warnte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. Damit würden auch die Prognosen der EU übertroffen.

Die Lage in Griechenland spitzt sich weiter zu. Die Regierung in Athen erwartet einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch als bislang angenommen.
Die Lage in Griechenland spitzt sich weiter zu. Die Regierung in Athen erwartet einen noch stärkeren Wirtschaftseinbruch als bislang angenommen. "Die Prognose war im Mai minus 3,8 Prozent. Jetzt übertreffen wir die (minus) fünf Prozent", sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos am Samstag. Damit würden auch die Prognosen der EU übertroffen. Wirtschaftswachstum Griechnlands seit 200, Querformat 90 x 70 mm, Grafik: A. Brühl © dpa-infografik/DPA | dpa-infografik

Hintergrund der neuen Vorhersagen seien die Sparpolitik der Regierung, aber auch psychologische Gründe, sagte Venizelos. Viele Menschen zögen ihr Geld von den Banken ab und investierten es nicht. Investitionen seien aber dringend notwendig. "Wenn das Land an allen Ecken und Enden sparen muss, ist es schwer, Wachstum zu erzielen", sagte auch der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann dem Abendblatt. Eine Chance dafür sei, EU-Strukturfonds für Investitionen für Schulen, Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen zu öffnen oder die Privatisierung fortzusetzen, über die der Staat mehr als 50 Milliarden Euro einnehmen könne. Er hoffe aber, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibe, sagte Hansmann.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte Griechenland am Rande des G8-Finanzministertreffens in Marseille auf, die Zusagen für die Finanzhilfen von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einzuhalten. Gegenwärtig seien die Voraussetzungen für eine Auszahlung der im September fälligen nächsten Kredittranche nicht erfüllt. Er habe darüber auch mit IWF-Chefin Christine Lagarde gesprochen. "Wir sind uns da völlig einig: Solange Griechenland diese Zahlen nicht erfüllt, ist eine Auszahlung nicht möglich", sagte Schäuble dem ZDF.

Dies sei zwar eine schwierige Lage für Griechenland, sagte Schäuble, betonte aber zugleich: "Es ist nicht so, dass eine unmittelbare Zuspitzung bevorsteht." Dennoch wappnet sich der Bundesfinanzminister nach Informationen des "Spiegels" für den Fall einer Pleite Griechenlands. Schäubles Beamte spielten sämtliche Szenarien durch, die sich im Falle eines Zahlungsausfalls des Landes ergeben könnten. Im Finanzministerium gebe es zwei Varianten einer möglichen Pleite. Bei der ersten bleibe Griechenland in der Währungsunion, bei der anderen gebe es den Euro als Zahlungsmittel auf und führe die Drachme wieder ein, berichtet das Magazin. Eine Schlüsselrolle in den Überlegungen komme jetzt dem europäischen Rettungsschirm EFSF zu.

Über die Erweiterung der Hilfen von derzeit 440 auf 780 Milliarden Euro muss der Bundestag Ende September abstimmen. Am Wochenende wandte sich der Chefhaushälter der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Barthle (CDU), dabei gegen Forderungen, das Votum zu einer Gewissensfrage zu machen. "Ob es uns gelingt, den Euro zu stabilisieren, ist eine Schicksalsfrage über Europas Zukunft. Ich sehe keinen Grund, die Fraktionsdisziplin bei der Entscheidung über die Aufstockung des Euro-Rettungsschirms aufzuheben", sagte Barthle dem Abendblatt.

Der CDU-Politiker zeigte sich zudem sicher, dass Union und FDP eine eigene Mehrheit bei der Abstimmung über den erweiterten Rettungsschirm zusammenbekommen würden.