Ist der Aufschwung vorbei? Der IWF schlägt Alarm und hält in der Eurozone und den USA sogar den Rückfall in die Rezession für denkbar.
Washington. Der Internationale Währungsfonds schlägt angesichts der Schuldenkrise in der Eurozone und der blutarmen US-Konjunktur Alarm – und will massive Eingriffe. Die Weltwirtschaft befinde sich in einer „gefährlichen neuen Phase“, mit Konsequenzen auch für Deutschland. Dort sieht der IWF 2012 nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent, satte 0,7 Punkte weniger als bisher erwartet. Die globale Konjunktur muss ebenfalls Federn lassen: Ein Plus von nur noch 4 statt wie bislang 4,5 Prozent sagt der Fonds in seinem jüngsten Weltwirtschaftsausblick voraus, der am Dienstag in Washington vorgelegt wurde. Schlechte Karten haben vor allem die reichen Staaten. Zwar setze sich das Wachstum fort – „aber nur schwach und holprig“.
Zwei Risiken bereiten den Fonds-Experten besonders Sorge: Dass die Schuldenkrise in der Eurozone außer Kontrolle gerät und dass die US-Wirtschaft noch weiter abschmiert. Jedes Szenario hätte schon für sich genommen „schwere Konsequenzen für das globale Wachstum“: Folgen könnten ein neuer Nackenschlag für Finanzmärkte in den Industrienationen, ein Absturz des Welthandels, versiegende Kapitalströme und weniger Wachstum in aufstrebenden Staaten. Die Eurozone und die USA „könnten zurück in die Rezession stürzen“ , warnt der IWF. Der IWF erwartet für USA und Eurozone 2012 nur ein Mini-Wachstum: Im Bereich der Gemeinschaftswährung gerade einmal 1,1 und in den Vereinigten Staaten 1,8 Prozent, wobei die US-Prognose massiv um 0,9 Punkte nach unten korrigiert wurde. In der größten Volkswirtschaft der Welt will die private Nachfrage nicht anspringen, von der die Konjunktur zu 70 Prozent abhängt. Zugleich plagen das Land erhebliche Arbeitslosigkeit sowie die hohe Verschuldung von Staat und Bürgern.
Als Rezept rät der Fonds den Politikern in der Eurozone nicht nur, die Beschlüsse ihres Brüsseler Krisengipfels vom Juli rasch umzusetzen. Zugleich müsse die Europäische Zentralbank „weiterhin kräftig intervenieren“, um die Ordnung auf den Märkten für Staatsanleihen zu wahren. Gerate das Wachstum in Gefahr und bleibe gleichzeitig die Inflation im Griff, sollte die EZB zudem ihren Leitzins senken. Von angeschlagenen Banken müsse eine höhere Ausstattung mit Kapital verlangt werden, bevorzugt durch „Lösungen der Privatwirtschaft“, schlägt der Fonds vor. Seien diese nicht verfügbar, „müssen sie öffentliches Kapital oder Unterstützung durch den Rettungsschirm EFSF akzeptieren, oder restrukturiert oder geschlossen werden“.
Angesichts der angeschlagenen Konjunktur warnen die Fonds-Experten die USA vor „hastigen Haushaltseinschnitten“, die der Wirtschaft weiter schaden könnten. Stattdessen müsse ein Plan her, wie das Land auf mittlere Sicht seine Schulden abbaut. Zudem sollte die US-Notenbank weiter für „unkonventionelle Unterstützung“ der Konjunktur bereitstehen, also neue geldpolitische Lockerungsmanöver. Um die Exporte der angeschlagenen Industrienationen, allen voran der USA, wieder flottzukriegen, fordert der Fonds besonders von China, die Binnennachfrage anzukurbeln. Entsprechende Pläne von Überschussländern müssten „so schnell wie möglich umgesetzt werden“.
Trotz einiger Einbußen durch die Turbulenzen beiderseits des Atlantiks sticht weiterhin das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer heraus. 2012 sagt der IWF diesen Staaten ein Plus von 6,1 Prozent voraus, mit China an der Spitze mit 9 Prozent. (dpa)