Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im August unerwartet stark zurückgegangen. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bleibt trotz der Rezessionsängste optimistisch: Deutsche Wirtschaft bleibe im Aufwind. Dax trotzte der schlechten Zahlen.

Berlin/Frankfurt/Main/München. Erst die Börsen jetzt das Wirtschaftsklima: Der Ifo-Geschäftsklimaindex, der wichtigste Gradmesser für die deutsche Konjunktur, sank im August überraschend stark. Gleichzeitig steigt die Angst in der Wirtschaft vor einer erneuten Rezession. Der ungewöhnlich starke Aufschwung in Deutschland neigt sich dem Ende. Gleich um 4,2 Punkte sank der Ifo-Geschäftsklimaindex von 112,9 Punkten im Juli auf 108,7 Zähler im August. Experten erwarteten einen weit weniger starken Rückgang. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sagte am Mittwoch: "Die Unternehmen haben ihre Erwartungen an den Geschäftsverlauf im kommenden halben Jahr stark zurückgeschraubt.“

Unterdessen gibt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) Entwarnung, die deutsche Wirtschaft bleibe im Aufwind. Dennoch warnte Rösler angesichts der zuletzt abflachenden Konjunktur davor, sich auf dem bisher Erreichten auszuruhen. "Deutschland muss beständig daran arbeiten, seine Wachstumskräfte zu stärken“, sagte der FDP-Vorsitzende am Mittwoch in Berlin. Es komme vor allem darauf an, den Fachkräftebedarf zu sichern, auch durch Zuwanderung hoch qualifizierter Kräfte aus dem Ausland. Als Grund für das Absacken sah Rösler die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Schuldenkrise im Euroraum und die Entwicklung der US-Wirtschaft. Dies ging an Deutschland nicht spurlos vorüber.

Die Firmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage weiter überwiegend als gut, jedoch weniger günstig als in den vergangenen Monaten. Im Verarbeitenden Gewerbe bröckeln die Geschäftsaussichten, und auch die aktuelle Geschäftslage stufen die Firmen nicht mehr ganz so häufig als gut ein. Der entsprechende Index fiel von 23,3 Zählern im Juli auf 15,7 Punkte.

Erwartungen an das Exportgeschäft sanken weiter. Nach wie vor soll mehr Personal eingestellt werden, die Zahlen sind den Angaben nach aber nicht mehr ganz so hoch wie in den vergangenen Monaten.

Abgekühlt hat sich das Geschäftsklima auch im Einzel- und Großhandel. Der Optimismus der Unternehmen sei weitgehend gewichen, hieß es. Der Index für den Einzelhandel ging von 10,5 Punkten zurück auf 1,6 Punkte. Der Großhandelsindex fiel auf 7,1 Zähler, von zuvor 18,1 Zählern.

Die Unternehmen der Baubranche zeigten sich nicht mehr so zufrieden wie bislang, sowohl was die aktuelle Lage, als auch die Aussichten betrifft. Der Index ging von minus 0,7 Punkten im Juli weiter zurück auf minus 6,4 Punkte.

Der deutsche Leitindex Dax trotze mit einem weiteren Erholungsansatz am Mittwoch dem schwachen Ifo-Index. Nach sehr guten Vorgaben aus den USA baute der deutsche Aktienhandel, der anfangs nervös hin und her pendelte, nach dem Ifo seine Kursgewinne aus und stand zuletzt 1,07 Prozent höher bei 5592 Punkten. Der MDax legte um 1,57 Prozent auf 8611 Punkte zu und der TecDax gewann 1,34 Prozent auf 712 Punkte.

Marktanalyst Wolfgang Duwe von der Bremer Landesbank begründete die positive Marktreaktion nach dem Ifo-Index mit dem besonders schwachen ZEW-Index vom Vortag. Es sei deshalb womöglich schon mit Schlimmerem gerechnet worden. "Allerdings bleiben mit der Schuldenkrise und den Rezessionssorgen die belastenden Themen auf der Agenda.“ Die nächsten Wochen dürften daher eher schwierig bleiben. Bis zum Jahresende sehe er den Dax aber optimistisch. "Fundamental war der Dax in diesem Jahrhundert noch nie so günstig bewertet“, gab der Experte zu bedenken.

Anknüpfend an ihre starke Vortagsentwicklung gehörten Aktien der deutschen Autobauer am Mittwoch zu den besten Dax-Werten. BMW und Daimler legten jeweils mehr als 3 Prozent zu. Die Spitze im Leitindex nahmen jedoch die 3,75 Prozent festeren Papiere der Deutschen Börse ein. Begründet wurde dies mit einer Gegenbewegung, nachdem die Titel des Frankfurter Marktbetreibers am Vortag als Abstiegskandidat aus dem EuroStoxx 50 genannt worden und deshalb abgerutscht waren.

Der ifo-Geschäftsklimaindex gilt als wichtigstes Barometer für die konjunkturelle Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Das Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung befragt dazu monatlich rund 7000 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes sowie des Groß- und des Einzelhandels.

Die Unternehmen sollen dabei die gegenwärtige Geschäftslage einschätzen sowie Angaben zu ihrer kurzfristigen Planung und den konjunkturellen Erwartungen für die nächsten sechs Monate machen. Dabei können sie ihre Lage mit "gut", "befriedigend“ oder „schlecht“ und ihre Erwartungen als "günstiger“, „gleichbleibend“ oder „ungünstiger“ bewerten. Aus dem Mittelwert dieser Angaben wird dann das Geschäftsklima errechnet und auf die Basis 100 bezogen. Bei einer im Schnitt positiveren Einschätzung ergibt sich ein Wert über 100. Werden die Aussichten schlechter beurteilt, liegt er darunter.

Neben dem ifo Institut ermitteln weitere deutsche Forschungsinstitute Frühindikatoren für die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik. Besondere Bedeutung hat dabei das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das monatlich etwa 350 Finanzexperten nach ihrer Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung in den kommenden sechs Monaten befragt. (abendblatt.de/dpa/dapd)