Die Kanzlerin der Präsident sind schwer unter Druck. Die Finanzmärkte sind nervös. Aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer am Horizont.
Berlin/Hamburg/Paris. Für sie geht es um Stabilität, für ihn auch um die Wiederwahl – und für die Europäer um alles: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy beraten an diesem Dienstagnachmittag in Paris über Maßnahmen zur Stabilisierung der Euro-Zone. Dabei geht es nach Berliner Regierungsangaben um konkrete Vorschläge, um das Krisenmanagement und die wirtschaftspolitische Steuerung zu verbessern. Sie sollen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy vorgelegt werden. Das war bereits auf dem Gipfel im Juli vereinbart worden.
Über die Einführung gemeinsamer Euro-Bonds (Anleihen) zur Lösung der anhaltenden Schuldenkrise wollen Merkel und Sarkozy nach Angaben aus Berlin und Paris nicht beraten. Euro-Bonds seien bei dem deutsch-französischen Spitzentreffen kein Thema, hieß es. Die Bundesregierung lehnt Gemeinschaftsanleihen strikt ab.
Merkel und Sarkozy müssen ihre Vorschläge nicht nur den übrigen Mitgliedsländern schmackhaft machen, sondern auch innenpolitischem Gegenwind trotzen. Der weht für Sarkozy besonders hart, denn der Wahlkampf in Frankreich hat bereits begonnen. Mit Steuergeschenken, die vor Wahlen gerne mit vollen Händen ausgeteilt werden, kann Sarkozy kaum aufwarten. Frankreich läuft Gefahr, seine Top-Bonität bei den Rating-Agenturen zu verlieren, wenn es die Schulden nicht in den Griff bekommt.
Warum Sarkozy so stark unter Druck steht
Französische Banken gerieten zuletzt wegen ihres hohen Griechenland-Engagements in Bedrängnis und das Wachstum der französischen Wirtschaft lag im zweiten Quartal bei null. Steuererhöhungen hatte Sarkozy bei Amtsantritt 2007 rundheraus ausgeschlossen, daher müssen Vergünstigungen wegfallen und es muss noch stärker als geplant bei den Staatsausgaben gekürzt werden. Sarkozy kann in der Wählergunst nur punkten, indem er sich als Krisenmanager profiliert.
Nachdem der Börsenkurs der französischen Großbank Société Générale wegen Gerüchten über eine finanzielle Schieflage in die Tiefe rauschte, unterbrach Sarkozy flugs seinen Urlaub mit seiner schwangeren Frau Carla Bruni in Südfrankreich und machte sich auf zu einer Krisensitzung im Pariser Elysée-Palast.
Der französische Präsident favorisiert eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Doch für „la règle d'or“, die goldene Regel, die er bereits vor der Sommerpause vorschlug und mit der die französische Regierung künftig zu einem ausgeglicheneren Haushalt gezwungen werden soll, braucht er die Zustimmung der Opposition – und die hat er nicht.
Sozialistenchefin Martine Aubry erklärte in der Zeitung „Le Journal du Dimanche“, das sei eine falsche Debatte über eine Pseudo-Regel, die gar nichts regele. Die Politik stecke in einer Sackgasse. Frankreich kämpfe nicht nur gegen seine Schulden, sondern habe auch ein Defizit in den Bereichen Beschäftigung und Wettbewerb. Und, fügte sie hinzu, ohne Wachstum gebe es auch keinen Schuldenabbau.
SPD-Chef Gabriel sagt Deutschland schwere Zeiten voraus
Deutschland kommt laut SPD-Chef Sigmar Gabriel in der europäischen Schuldenkrise nicht um weitere finanzielle Beiträge herum. Es sei die bittere Wahrheit, dass die Krise ansonsten auch die Bundesrepublik erreichen werde, sagte Gabriel im Deutschlandfunk und plädierte vor dem deutsch-französischen Gipfeltreffen erneut für die Einführung von sogenannten Euro-Bonds. Die gemeinsamen europäischen Anleihen würden Sicherheit schaffen und helfen, die Finanzmärkte zu stabilisieren.
Der SPD-Chef forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, beim Thema Eurostabilität keine Rücksicht auf Einwände des Koalitionspartners FDP zu nehmen. „Es geht um Stabilität und Wert unseres Geldes und nicht um Parteitaktik“, sagte Gabriel der „Bild“-Zeitung mit Blick auf die Diskussion um die Eurobonds. Die SPD habe der Kanzlerin deshalb ihre Unterstützung auch für unpopuläre Maßnahmen angeboten. „Klar ist: Ein Weiter so kann es nicht geben.“ Die FDP lehnt die Euroanleihen ab.
Krisentreffen: Der Euro ist unter Druck geraten
Vor dem Treffen des französischen Präsidenten Sarkozy mit Bundeskanzlerin Merkel ist der Euro am Dienstag unter Verkaufsdruck geraten. Er kostete mit 1,4390 Dollar rund einen halben US-Cent weniger als zum New Yorker Vortagesschluss. „Eine Klärung der Eurobond-Frage wäre unzweifelhaft positiv für den Euro“, sagte Analyst Teppei Ino von der Bank of Tokyo-Mitsubishi. „Aber dabei geht es immer noch lediglich um ein Sicherheitsnetz und nicht um die eigentlichen Ursachen der Schuldenkrise.“
Linke fordern Sondersitzung des Bundestages
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi fordert eine Sondersitzung des Bundestages zur Euro-Krise. Im Hörfunksender MDR Info kritisierte Gysi, Spitzenpolitiker „turteln da immer in irgendwelchen geschlossenen Räumen, handeln alles Mögliche aus, und das eigentliche Entscheidungsgremium, der Bundestag, wird ausgelassen. Das ist nicht länger hinnehmbar.“ Die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Juli zu Griechenland hätten „noch nie auf der Tagesordnung des Bundestages“ gestanden. Das Parlament müsse einbezogen werden. Bundeskanzlerin Merkel müsse eine Regierungserklärung abgeben.
CSU berät separat über Euro-Krise
Bei einer Sondersitzung des erweiterten Präsidiums will die CSU am 29. August über die Euro-Krise und die Zukunft der EU beraten. Dabei würden Generalsekretär Alexander Dobrindt und Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet ihren Entwurf für ein Grundlagenpapier vorlegen, sagte ein CSU-Sprecher und bestätigte damit einen Bericht des „Münchner Merkur“ (Dienstagausgabe). Eine der Kernaussagen sei ein klares Nein zu Euro-Bonds.
Deutsche Wirtschaft nicht mehr so dynamisch
Die lahmende deutsche Wirtschaft hat auch das Wachstum in der Eurozone kräftig gebremst. Die Konjunkturentwicklung verlief deutlich weniger dynamisch als noch zum Jahresstart. Im zweiten Quartal 2011 legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den 17 Euro-Ländern im Vergleich zum Vorquartal nur um 0,2 Prozent zu, teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg in einer ersten Schätzung mit. Zu Jahresbeginn hatte der Aufschwung noch mehr Fahrt gehabt: Im ersten Quartal lag die Wachstumsrate bei 0,8 Prozent.
Deutsche Autobauer setzen deutlich mehr PKW ab
Der Pkw-Markt in Deutschland ist für die Automobilindustrie derzeit der einzige Lichtblick in Europa: Während in den übrigen großen Ländern Westeuropas nach Branchenangaben im Juli durchweg weniger Neuwagen auf die Straßen kamen, setzten die Autobauer in Deutschland zehn Prozent mehr ab als vor Jahresfrist. Im vergangenen Monat sanken die Pkw-Neuzulassungen in den 27 EU-Staaten und den drei Efta-Ländern Island, Norwegen und Schweiz um zwei Prozent. Ohne Deutschland wären die Neuzulassungen in Westeuropa um sechs Prozent geschrumpft, berichtete der Verband der Automobilindustrie (VDA). Allerdings verlor die Pkw-Nachfrage zuletzt auch hierzulande an Schwung.
Anleger trennten sich angesichts der zunehmenden Konjunktursorgen in Scharen von Autoaktien. BMW, Daimler und Volkswagen zählten am Dienstag mit Kursabschlägen zwischen 3,8 und 1,8 Prozent zu den größten Verlierern in Leitindex Dax. Für die Autokonzerne ist Europa schon seit längerem ein schwieriges Terrain, weil der Pkw-Markt dort als gesättigt gilt. Hohe Wachstumsraten erzielten die Autobauer zuletzt vor allem in den Schwellenländern, allen voran in China, und in den USA. Im Juli wuchsen die Neuzulassungen in der Volksrepublik um elf Prozent. (dpa/dapd/rtr/abendblatt.de)