Beim Euro-Rettungsgipfel am Dienstag müssen die beiden Regierungschefs klare Ziele benennen. Dann beruhigen sich auch die Börsen.
Es ist soweit. Nun geht es um alles. Wenn sich morgen Kanzlerin Merkel und der französische Staatspräsident Sarkozy wiederholt zum Krisengipfel treffen, bietet sich beiden eine finale Chance, das zu tun, was von Regierungen erwartet wird: führen und agieren, statt abwarten und reagieren. Zu lange haben sich die europäischen Regierungschefs von Sondertreffen zu Krisengipfeln gehangelt. Zu oft waren die Notmaßnahmen nur Tage von Belang. Zu stark war der Eindruck, die Politik folge äußerem Druck und nicht innerer Überzeugung. Diese Gemengelage war eine Einladung an Spekulanten, die Politik vor sich herzutreiben.
Ein politisches Führungsvakuum erzeugt allgemeine Unsicherheit. Perfekte Voraussetzungen, um auf fallende Börsenkurse zu wetten. Finanzmärkte folgen dann Eigengesetzen und Eigeninteressen, die nichts mehr mit der Realität, sondern mit kurzfristiger Spekulation zu tun haben. Herdentrieb, Eigendynamik, emotionale Panik und automatische Verhaltensregeln sorgen in der Folge für eine sich selbst erfüllende Prognose. Es kommt zum Börsencrash - so wie in den letzten 14 Tagen. Davon profitieren jene, die genau darauf spekuliert hatten, bevor sie mit Krisengerüchten und Leerverkäufen den Kursverfall provoziert und angeheizt hatten, der ihnen erwartete Gewinne sicherte.
Der Börsencrash der letzten Tage hat mit tatsächlichen Veränderungen der Wirtschaft wenig bis nichts zu tun. Er hat Vermögen in Billionenhöhe vernichtet. Das ist schmerzlich bis schrecklich für die Betroffenen. In der realen Wirtschaft finden die Chaostage der Finanzmärkte jedoch kein Spiegelbild. Weder Firmen, Maschinen, Anlagen noch die Infrastruktur sind zerstört worden. Genauso war, ist und bleibt die Staatsschuldenkrise eine bedrohliche Herausforderung. Sie kann mit Sicherheit eher bewältigt werden, wenn sich Medien, Öffentlichkeit und Politik von einem inszenierten Finanztheater nicht anstecken lassen. Aus dem Grunde wird das Treffen von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy zum Finale.
Es bietet der Politik eine exzellente Möglichkeit, den Finanzmärkten das Heft des Handelns zu entreißen. Merkel und Sarkozy müssen der Finanzwelt klarmachen, dass die Politik ein Ziel hat, nämlich für Stabilität, Sicherheit und Planbarkeit zu sorgen. Und dass man gewillt ist, dieses Ziel mit allen Mitteln auch gegen politischen Widerstand in der Bevölkerung und spekulative Angriffe auf den Finanzmärkten zu erreichen. Dafür gibt es ein historisch überzeugendes und erfolgreiches Beispiel. Die Kanzlerin und der französische Präsident müssen nachleben, was Angela Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück auf dem Höhepunkt der Finanzkrise am 5. Oktober 2008 vorgemacht haben, als sie in einer legendär gewordenen gemeinsamen Erklärung für die Ersparnisse der Deutschen eine rundum gültige Garantie abgaben. Mit diesem auch symbolischen Schulterschluss einer Großen Koalition war schlagartig der Spekulation auf deutsche Banken der Boden entzogen. Dies nun mit Blick auf Europa zu wiederholen, muss das gemeinsame Ziel von Merkel und Sarkozy sein.
Neben einer Garantieerklärung für alle Euro-Länder bedeutet dieses Vorgehen auch, dass Deutschland und Frankreich einen stärkeren Einfluss auf die Finanzpolitik jener Länder nehmen wollen, die sich unter einen europäischen Rettungsschirm begeben.
"Wer zahlt, befiehlt" lautet das Motto in der Finanzpolitik. Wer Kredite aus der gemeinsamen Euro-Kasse will, muss offenlegen, mit welchen Maßnahmen Steuereinnahmen erhöht, Staatsausgaben gesenkt, staatliche Betriebe privatisiert und die Staatsschulden reduziert werden sollen. Wer die Vorgaben missachtet, Schuldenbremsen verletzt, hat Euro-Statthalter zu akzeptieren, die Steuern eintreiben und Spar- oder Privatisierungspläne umsetzen.
Sollten auch diese Notstricke reißen, bedarf es als letzter Lösung eines geordneten Insolvenzverfahrens für überschuldete Euro-Länder. Schließlich sollten Merkel und Sarkozy rascher bessere Finanzmarktregulierungen auf den Weg bringen. Die kritische Diskussion der letzten Tage um eine Entmachtung der Rating-Agenturen und ein weltweites Verbot der Leerverkäufe ist ein richtiger, aber zaghafter Anfang.
Mehr muss folgen. Dann kann das Euro-Finale noch gewonnen werden.