Wirtschaftsrat der CDU diskutierte in Quickborn mit Experten
Quickborn. Den entlarvenden Satz des Abends sagte Ulrich Hase. "Nun führt der Fachkräftemangel dazu, dass die Unternehmer endlich die Menschen mit Behinderung entdecken", wunderte sich der Behindertenbeauftragte Schleswig-Holsteins. Der Wirtschaftsrat der CDU hatte Unternehmer und Vertreter der Arbeitsagentur und der Diakonie zu einer Podiumsdiskussion in die Räume von E.on-Hanse nach Quickborn eingeladen. Gemeinsam sollte das Problem des "verschärften Fachkräftemangels" unter dem Gesichtspunkt "Chancen durch die Vielfalt von Menschen mit Behinderungen" beleuchtet werden. Und die etwa 50 Wirtschaftsvertreter klatschten Beifall, als ihnen der Behindertenbeauftragte Hase ins Gewissen rief, endlich die Vorbehalte und "Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber" abzulegen, um behinderte Mitarbeiter einzustellen.
Das Reservoir dieser Arbeitskräfte ist jedenfalls noch recht groß und ungenutzt, wie Jürgen Goecke von der Bundesagentur für Arbeit darstellte. Aktuell seien 5300 schwerstbehinderte Menschen im Land zum Teil schon lange arbeitslos, obwohl zwei Drittel von ihnen eine Ausbildung hätten und die Hälfte im Alter zwischen 25 und 50 Jahre alte seien. Die Arbeitsagentur fördere deren berufliche Entwicklung und gewähre Einstellungszuschüsse in Höhe von 99 Millionen Euro pro Jahr.
In seinem Eingangsreferat umriss Hans-Heinrich Driftmann den drohenden Fachkräftemangel mit allerhand Zahlenmaterial. "Dieses Mega-Thema ist eine tickende Zeitbombe", warnte der Köllnflockenchef und Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, in dem 3,6 Millionen Unternehmen organisiert sind. In 50 Jahren verdoppele sich der Anteil der Rentner im Verhältnis zu den Beschäftigten von jetzt 34 auf 67 zu 100 Arbeitnehmern. Neben der Möglichkeit, Behinderte zu rekrutieren, sollten verstärkt Jugendliche ausgebildet, mehr familienfreundliche Arbeitsplätze für Frauen geschaffen und Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden, schlug Driftmann vor. Immerhin seien bundesweit 5,6 Millionen Frauen im erwerbsfähigen Alter zurzeit nicht berufstätig.
Für Ausländer scheint Deutschland nicht unbedingt erste Wahl zu sein, wie Jörg Bornholdt berichtete, der in Kiel eine Zeitarbeitsfirma betreibt und über eine Außenstelle in Polen Pflegekräfte anzuwerben versucht. "Eine Polin hat mir gesagt: 'Was soll ich in Deutschland? Da erwarten mich Springerstiefel und ein rückständiges Steuersystem. In Norwegen werde ich mit offenen Armen empfangen mit einem Integrationsprogramm, Sprachkursen und Kinderbetreuung."