Deutschlands Lokführer machen ernst. Kommende Woche müssen Bahnreisende bundesweit mit Verspätungen und Zugausfällen rechnen.

Berlin. Das Wo und Wann stehen weiter in den Sternen, nur das Ob ist geklärt: Die Lokführer wollen weiterhin streiken – und bitten ihre Fahrgäste schon vorab um Verständnis. Es bleibt aber weiter offen, wann genau und wo die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihre Warnstreiks beginnt. Das könne ab Montag geschehen, sagte eine Sprecherin. Informationen, wonach der Warnstreik amMontagmorgen zunächst nur inNordrhein-Westfalen beginnen sollte, konnte die Nachrichtenagentur dpa am Sonnabend nicht verifizieren. Die GDL sagte dazu, es gebe keine Erklärung zuWarnstreiks inNRW. Damit blieb auch weiter offen, ob die S-Bahn in Berlin als Bahn-Tochter von den Warnstreiks zu Beginn der Woche betroffen sein könnte. „Wir bestreiken eigentlich den Arbeitgeber und nicht unsere Fahrgäste oder unsere Industriekunden“, sagte GDL-Claus Weselsky dem „Spiegel“. Er wisse, „dass wir unsere Fahrgäste, vor allem die Berufspendler, damit stark in Mitleidenschaft ziehen“.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) warnte in der „Bild am Sonntag“ davor, auf die Belange der Bahn-Kunden nicht ausreichend Rücksicht zu nehmen. „Die Berufspendler dürfen nicht als Geiseln für Gewerkschaftskonkurrenzen herhalten“, sagte Ramsauer dem Blatt. „Ich appelliere mit allem Nachdruck an die Verantwortlichen, sich nicht die Falschen zum Feind zu machen. Die Bahn-Kunden sind auch Kunden der Lokführer und für einen solchen Streik wird die Bevölkerung kaum Verständnis haben.“ Nach gescheiterten Tarifverhandlungen hatte die GDL Warnstreiks zu Wochenbeginn angekündigt. Bislang ist aber noch unklar, wann und wo es Aktionen geben wird. Dem hielt Weselsky entgegen, er setze darauf, dass die Fahrgäste „sehr wohl zwischen Missmanagement der Bahn – im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt – und einem ganz normalen Arbeitskampf unterscheiden können, der für ein Tarifziel geführt wird“.

Da die Gewerkschaft an zwei Verhandlungstischen gescheitert sei, weil die Deutsche Bahn und die sechs wichtigsten Privatbahnen im Nahverkehr keinen Flächentarifvertrag abschließen wollten, sei der Streik notwendig. Aber: „Wir werden maßvoll mit unserer Macht umgehen“, sagte er dem „Spiegel“. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG forderte, die Lokführer sollten auf Warnstreiks verzichten. Der Vorsitzende der größten Bahngewerkschaft, Alexander Kirchner, sagte dem Magazin „Focus“, ein solcher Streik werde den Gewerkschaften insgesamt schaden. Die Deutsche Bahn, sechs ihrer Konkurrenten sowie die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben jüngst einen Tarifvertrag unterzeichnet. Diesen lehnt die GDL jedoch ab. Sie fordert einen einheitlichen Flächentarifvertrag für alle 26 000 Lokführer im Nah-, Fern- und Güterverkehr, unabhängig davon, für welches Unternehmen sie arbeiten. (dpa/abendblatt.de)


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icher ist nicht primär die Deutsche Bahn dafür verantwortlich, dass die aggressive Kleingewerkschaft GDL nun den nächsten Stillstand auf der Schiene vorbereitet, nämlich in Form von Warnstreiks. Viel früher in diesem Winter hätten die Lokführer nicht streiken können, denn da waren viele ihrer Züge eingefroren und ohnehin nicht so oft unterwegs.

Die Bahn ist nicht als einziges Unternehmen betroffen, auch einige ihrer Konkurrenten im Regionalverkehr müssen den Ausstand der Lokführer fürchten. Für Deutschlands führendes Schienenunternehmen allerdings wären neuerliche Zwangspausen auf den Bahnhöfen besonders bitter. Bereits im zweiten Winter in Folge hat der Frost die Fahrpläne des bundeseigenen Unternehmens neu sortiert und dabei Millionen von Fahrgästen auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Zwischendurch, im Sommer, fürchtete mancher Reisende im ICE den Erstickungstod, nachdem in den Fernzügen bei großer Hitze viele Klimaanlagen ausgefallen waren.

Und nun wieder die GDL. 2007 und 2008 hatte die kleinste der Bahngewerkschaften einen monatelangen Machtkampf mit dem Bahnvorstand ausgetragen und Deutschland im "Wahnstreik" bis an die Grenzen der logistischen Belastbarkeit gebracht. Die Hauptkonkurrenten waren damals Bahnchef Hartmut Mehdorn und der GDL-Vorsitzende Manfred Schell, zwei betonharte Verhandler, die dem Arbeitskampf den Charakter eines Prestigeduells verliehen. Beide sind mittlerweile abgetreten. Doch die Gewerkschaft holt erneut das große Besteck hervor. Zu erwarten sind Warnstreiks im kompletten Personenverkehr. Die Deutsche Bahn hätte diesen neuerlichen Showdown dringend vermeiden müssen. Dasselbe gilt für die entfesselte Gewerkschaft. Allein die Androhung von Warnstreiks ist fatal. Nicht nur der Tarifkonflikt ist zurückgekehrt, sondern auch der Winter. Nach dem Schnee- und Eischaos der vergangenen Monate jetzt einen Arbeitskampf auf dem Rücken der Fahrgäste auszutragen zeugt von größter Ignoranz.

Natürlich weiß die Führung der Gewerkschaft, dass sie gegenüber dem Bahnvorstand einen starken Hebel in der Hand hat. Die Bahn kann sich weitere Unbill nicht erlauben. Der GDL müsste aber ebenso klar sein, dass sie mit ihren Streikplänen auch an ihrem eigenen Ast sägt. Wer das Verkehrsmittel Bahn in Deutschland stärken will, der sollte dessen Image nicht kaputt machen. Die Bahn selbst hat durch Missmanagement bereits genügend Schaden angerichtet.