Massive Kritik an Gesamtbetriebsrat Patzelt von der Belegschaft der Hauptverwaltung wegen angeblicher Geheimverhandlungen.
Essen. Bei Karstadt kracht es jetzt auch zwischen den Mitarbeitervertretern. Nach Informationen von WELT ONLINE hat der Betriebsrat der Karstadt-Hauptverwaltung den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Hellmut Patzelt zum Rücktritt aufgefordert. Patzelt hatte Gespräche mit dem Vermieter-Konsortium Highstreet geführt, das sich auch für den Kauf des operativen Geschäftes interessierte. In einem Eckpunktepapier war etwa auch die Rede davon, dass Mitarbeiter bei unveränderter Bezahlung länger und flexibler arbeiten und dass sie eine stärker am Erfolg orientierte Bezahlung akzeptieren würden. Seit die Existenz des Papieres bekannt wurde, steht Patzelt wegen eines möglichen Alleingangs in der Kritik von Teilen der Mitarbeiterschaft und der Gewerkschaft Ver.di. Umstritten ist, was Patzelt tatsächlich vorgeschlagen oder ausgehandelt hat und ob er dazu legitimiert war. Insbesondere Ver.di fühlt sich übergangen.
Auf einer Betriebsversammlung in der Essener Hauptverwaltung Mitte Juli nun wollten die Mitarbeiter Aufklärung über das Papier des Gesamtbetriebsratschefs. Patzelt jedoch war nicht anwesend. In einem Brief bat er um Verständnis dass er als Mitglied des Gläubigerausschusses seine "Schweigepflicht nicht verletzen" dürfe, wenn er sich keinen Schadenersatzforderungen aussetzen wolle. "Dass diese Antwort für Euch unbefriedigend sein muss, bedaure ich. Es lässt sich aber nicht ändern", schrieb Patzelt in dem Brief an seine Kollegen, der WELT ONLINE vorliegt.
Daraufhin forderten die Teilnehmer der Betriebsversammlung ihn auf, innerhalb von zehn Tagen schriftlich zu dem strittigen Papier Stellung zu nehmen. Andernfalls werde sein Rücktritt gefordert. Da die Frist ohne Antwort Patzelts verstrich, fordern die Mitarbeiter der Zentrale ihren obersten Interessenvertreter jetzt auf, sein Amt nieder zulegen.
Erst vor wenigen Wochen war Patzelt für die zweite Vier-Jahres-Frist gewählt worden. "Ich werde die Sache aufklären, es wird dazu eine Erklärung geben", sagte Patzelt WELT ONLINE, "ich habe mir nichts vorzuwerfen". Ob er an Rücktritt denke, wollte er nicht sagen. Patzelt erklärte, er habe die Gespräche mit Highstreet zu einer Zeit aufgenommen, als kein Käufer für Karstadt in Sicht war. Ohne Investor hätte die Zerschlagung gedroht. "Sollte ich etwa die Hände in den Schoß legen?", so Patzelt. Das Eckpunktepapier habe zudem keinerlei bindende Wirkung. "Es war nicht ausverhandelt und es ist auch nicht unterschrieben worden", sagt der Gesamtbetriebsratschef.
Unterschrift fehlt
Allerdings liegt WELT ONLINE ein Exemplar des brisanten Eckpunktepapiers zwischen Patzelt als Gesamtbetriebsratsvorsitzendem und der "Tahoe Holding BV" als Investor, hinter dem der Goldman-Fonds Whitehall steht, vor. Das Papier ist unter dem Datum "Amsterdam, 20. Mai 2010" von einem Vertreter des Investors unterschrieben. Die Unterschriftszeile "Gesamtbetriebsrat" allerdings blieb leer. Unklar ist, ob noch ein zweites Exemplar mit weiteren Unterschriften existiert.
In dem Papier findet sich unter der Ziffer sechs die Zusage, dass der frühere Karstadt-Chef Stefan Herzberg "zum Vorsitzenden der Geschäftsführung bestellt wird". Zwischen Unterschrift und Inkrafttreten des Vertrages solle Herzberg bereits "als Berater mitwirken". Herzberg und Patzelt wird ein sehr gutes berufliches Verhältnis nachgesagt.
Laut Ziffer sieben soll Karstadt auch "zum Verkauf und zur Übertragung von Standorten oder Betriebsteilen unter den Bedingungen des Fortführungstarifvertrages" berechtigt sein. Ausdrücklich wird im Text das KaDeWe in Berlin erwähnt. Kritiker interpretieren diese Passage als Möglichkeit, Karstadt zerlegen zu können. "Die Parteien", heißt es zu diesem Punkt weiter, "werden eng zusammenarbeiten, damit diese Veräußerungen ohne Störungen durchgeführt werden können".