Der VW-Konzern baut sein globales Autoimperium weiter mit hohem Tempo aus. Die Wahl Ursula Piëchs als Aufsichtsrätin gilt als Weichenstellung.
Hamburg/Wolfsburg. Ducati-Kauf, MAN-Aufstockung, neue Werke in Mexiko und China: Der VW-Konzern baut sein globales Autoimperium weiter mit hohem Tempo aus. Nur die wirtschaftlichen Turbulenzen in Südeuropa drücken etwas auf die Bremse. „Das Autojahr 2012 wird uns viel abverlangen“, sagte Vorstandschef Martin Winterkorn bei der Hauptversammlung am Donnerstag in Hamburg voraus. „Insbesondere die Schuldenkrise in Europa wird die Märkte weiter belasten.“
Die Zuversicht der Wolfsburger ist dennoch ungebrochen. „Uns geht es gut“, meinte auch VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch. Kritik unter einigen Aktionären löste aber die Wahl seiner Ehefrau Ursula Piëch in den Aufsichtsrat aus. Umweltschützer bemängelten die VW-Klimabilanz.
Dank neuer Modelle wie dem Golf 7 oder Audi A3 sieht Winterkorn allen Grund, selbstbewusst zu sein. Absatz und Erlöse sollen die Rekordwerte des Vorjahres noch einmal übertreffen, das operative Ergebnis von 11,3 Milliarden Euro will Volkswagen zumindest halten - trotz aller konjunkturellen Risiken. „Das Ziel von 10 Millionen Fahrzeugen rückt in Sichtweite.“ 2011 verkaufte der inzwischen umsatzstärkste Autobauer der Welt fast 8,3 Millionen Wagen, im ersten Quartal dieses Jahres waren es erstmals mehr als 2 Millionen.
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Das Wachstumstempo ruft allerdings auch Kritiker auf den Plan. Mitglieder der Umweltschutz-Organisation Greenpeace demonstrierten während Winterkorns Rede vor den Aktionären gegen die aus ihrer Sicht zu laxen CO2-Reduktionsziele. VW könne noch mehr tun, erklärten die von Piëch als „Unruhestifter“ bezeichneten Aktivisten, die von Sicherheitsleuten aus dem Saal gebracht wurden. Der Konzern nannte den Protest „eine weitere sinnlose und fragwürdige Aktion“. VW habe sich die ambitioniertesten Klimaschutzziele der Branche auferlegt.
Von Ursula Piëch erhoffte sich Greenpeace mehr Engagement. Mit der Ernennung der 55-Jährigen zur VW-Kontrolleurin wolle ihr Mann vor allem für Kontinuität sorgen, hieß es in Konzernkreisen. Die gelernte Kindergärtnerin warb in der Hauptversammlung um Vertrauen: „Ich möchte dazu beitragen, den Erfolg des Unternehmens zu stärken und Ihre Interessen zu vertreten“, sagte sie vor den Anteilseignern. An der Seite des früheren VW-Vorstands- und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden habe sie auch ein Gefühl für schwierigere Zeiten entwickelt, sagte Ursula Piëch: „Ich habe die Jahre 1993/94 hautnah miterlebt, ebenso wie den dann folgenden Aufstieg unseres Unternehmens.“ Als ihr Mann 1993 von Audi auf den Chefsessel bei Volkswagen wechselte, steckte der Konzern in einer tiefen Krise.
Die Großaktionäre Porsche, Katar und Niedersachsen unterstützen die Nominierung von Ursula Piëch und die ebenfalls vorgesehene Verlängerung des Mandats ihres Mannes um weitere fünf Jahre. Beide Entscheidungen galten als sicher. Mehrere Anleger reagierten auf die Personalien indes mit Kritik. Sie monierten eine mögliche Vermischung privater und geschäftlicher Interessen und die Tatsache, dass der 75-jährige Chefaufseher bereits die laut Firmenkodex erlaubte Altersgrenze von 70 Jahren überschritten hat. Etliche Aktionäre bemängelten erneut auch die Millionengehälter für den VW-Vorstand.
Beim weiteren Ausbau seiner weltweiten Geschäfte setzt Volkswagen auch auf den italienischen Motorradhersteller Ducati, den die Tochter Audi kauft. „Wir freuen uns darauf, diese stolze Marke in Kürze in unserer Konzernfamilie willkommen zu heißen“, sagte Winterkorn. Ducati bringe mit seinen Hochleistungsmotoren und dem Leichtbau technologisch wichtige Erfahrungen ein. Die Eingliederung solle „schnellstmöglich“ nach der Freigabe der Wettbewerbsbehörden folgen.
Der Rivale Daimler beendete wegen der Ducati-Übernahme durch VW seine bisherige Zusammenarbeit mit den Italienern. Nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ könnte der Kauf zudem den Rechtsstreit zwischen Suzuki und Volkswagen weiter anheizen; VW werde nun zu einem direkten Konkurrenten für das starke Motorrad-Geschäft bei den Japanern.
Audi kündigte zudem den Bau eines Werks in Mexiko an. Der genaue Standort wurde noch nicht genannt, die Produktion des Geländewagens Q5 soll vollständig von Deutschland nach Mexiko verlagert werden. Es handelt sich nach Angaben der Ingolstädter um eine Milliarden- Investition. Audi-Chef Rupert Stadler sprach von einer geplanten Fertigung von 150 000 Q5-Modelle pro Jahr. Einen Stellenabbau an den deutschen Standorten Ingolstadt und Neckarsulm soll es nicht geben.
In China plant die Konzernmutter eine weitere Produktionsstätte. Der VW-Aufsichtsrat segnete bereits am Mittwoch die Einrichtung eines neues Werks in Ürümqi in der nordwestlichen Unruheregion Xinjiang ab. Details sollen beim Deutschland-Besuch von Chinas Regierungschef Wen Jiabao im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel am Montag genannt werden. Beide Politiker werden dann zu einem Wirtschaftsforum der Hannover Messe und danach im VW-Stammwerk in Wolfsburg erwartet.
Bei der Münchner Tochter MAN greift Volkswagen zunehmend nach der vollen Kontrolle. „Wir behalten uns alle Möglichkeiten offen“, sagte Finanzchef Hans Dieter Pötsch auf die Frage, ob VW die verbliebenen Aktionäre verdrängen wolle. Die Optionen beinhalteten einen möglichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Diesem müssten drei Viertel der MAN-Aktionäre zustimmen. VW hält inzwischen rund 74 Prozent der Stammaktien an dem Lkw-Spezialisten. Die Konzernspitze will einen integrierten Lastwagenkonzern aus MAN und der schwedischen Tochter Scania unter dem Dach der Konzernmutter bilden.
Die Klagen von Investoren gegen VW und Porsche wegen angeblicher Fehlinformationen während der versuchten VW-Übernahme durch Porsche 2008/2009 sind aus Sicht Pötschs kein Grund, am Zusammenschluss der Autobauer zu zweifeln: Auch Winterkorn sieht dies so. Der Konzern arbeite „mit Hochdruck“ daran, die wegen juristischer Streitigkeiten und offener Steuerfragen verzögerten Integration umzusetzen. (dpa/abendblatt.de)