Klagen von Minderheitsgläubigern kippten die Sanierungspläne, es blieb nur die Insolvenz. Kritiker werfen den Klägern Erpressung vor.
Bitterfeld-Wolfen. Die Insolvenz des Solarunternehmens Q-Cells hat viele Gründe: Der drastische Preisverfall in der Branche, zu hohe Kosten, ein zu zögerlicher Unternehmensumbau – darüber sind sich Experten einig. Das Fass zum Überlaufen brachte nach Ansicht von Beobachtern aber eine Gruppe aggressiver Minderheitsgläubiger. Der Vorwurf: Sie pressen als „Berufskläger" marode Unternehmen bis auf den letzten Cent aus statt die Rettung mitzutragen.
Ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main brachte das Management von Q-Cells zu der Erkenntnis, dass sich die Restrukturierungspläne des hoch verschuldeten Unternehmens nicht durchsetzen lassen. Das Gericht hatte Klägern in dem ähnlich gelagerten Fall des Unternehmens Pfleiderer Recht gegeben. Auch bei der dringenden Sanierung des einst weltgrößten Solarzellenherstellers war aus Sicht des Unternehmens ein Erfolg der Kläger zu erwarten.
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Die Kläger wehren sich gegen ein Modell, wonach die Gläubiger mehrerer Wandelanleihen auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten, dafür aber am Unternehmen beteiligt werden sollten. Das 2009 erneuerte Schuldverschreibungsgesetz hätte es ermöglicht, die Pläne mit 75-Prozent-Mehrheit umzusetzen. Wie das OLG im Fall Pfleiderer entschied, ist diese Regelung aber nicht anwendbar. Q-Cells hätte – wie nach dem alten Gesetz vorgesehen – eine einstimmige Entscheidung erreichen müssen.
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Die Entscheidung des Gerichts sorgt bei Experten allerdings für Kopfschütteln. Christoph G. Paulus, Professor für Insolvenzrecht an der Humboldt-Universität Berlin, spricht von einem „kardinalen Interpretationsfehler" der Richter. Das neue Gesetz versuche, Restrukturierungen ohne Insolvenz zu ermöglichen und hätte durchaus angewendet werden dürfen. So hätten viel mehr Arbeitsplätze gerettet werden können.
So, wie das OLG entschied, bekommt jeder Anleihebesitzer – und wenn er nur ein Papier besitzt – viel Macht. Und diese Macht nutzen einige aus. Einzelne Anleger forderten bei Q-Cells ihr Geld zurück. Nach Ansicht eines Beobachters aus dem Q-Cells-Umfeld wollten sie aber eigentlich etwas anderes erreichen: Q-Cells unter Druck setzen, um sich die Klagen abkaufen zu lassen, etwa in Form der Erstattung hoher Anwaltskosten. Der Insider spricht von „Berufsklägern", die bei Hauptversammlungen und Gläubigerversammlungen auftauchten, um die Unternehmen in die Ecke zu drängen. „Ihr Plan ist aber im Fall von Q-Cells nicht aufgegangen, denn durch die Insolvenz werden die Kläger leer ausgehen", sagt der Beobachter.
Tatsächlich tauchen im Umfeld von Anfechtungsklagen bestimmte Namen immer wieder auf, sie sind vielen Unternehmen aus eigener Erfahrung bekannt. Auf Hauptversammlungen versuchten sie Formfehler zu produzieren und den Verlauf des Treffens in die Länge zu ziehen, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter eines betroffenen Unternehmens. Damit wollten sie wichtige Entscheidungen wie etwa Kapitalerhöhungen blockieren. „Sie setzen dir die Pistole auf die Brust, und Du kannst Dir als Unternehmen überlegen, ob Du zahlt oder mit einer Klage Dein Überleben aufs Spiel setzt." Aus der Not heraus ließen sich viele auf das Spiel ein – und zahlten.
Die Kläger sehen es anders. Sie kämpften um ihr Recht. Anwalt Peter Dreier, Vertreter der Interessen einer Reihe von klagenden Q-Cells-Gläubigern argumentiert: „Das Management will nur von seiner eigenen Schuld ablenken." Nach Vorstellung Dreiers hätte Q-Cells den Gläubigern, mit denen sich das Unternehmen bereits geeinigt hatte, Eigenkapital anbieten und den kleineren Anteilseignern ihr Geld zurückzahlen sollen. Dass es zur Insolvenz kam, finde er bedauerlich. „Ich hätte es mir anders gewünscht." Auch die Chancen seiner Mandanten hätten sich nun stark verschlechtert.