Wettbewerbshüter prüfen die Benzinpreispolitik mehrerer Ölkonzerne, sie fürchten eine Benachteiligung der freien Tankstellen.

Hamburg/Berlin. Seit Tagen klettern die Preise für Benzin an den Tankstellen auf immer neue Rekordhöhen. Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen die fünf führenden deutschen Ölkonzerne BP, Esso, Jet, Shell und Total eingeleitet. Doch die Autofahrer können kaum auf sinkende Preise hoffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Geht das Kartellamt mit dem Verfahren gegen die hohen Benzinpreise an den Tankstellen vor?

Nein, das Bundeskartellamt ist keine Behörde zur Preisüberwachung. Es kümmert sich um Wettbewerb und Marktstrukturen. Das Verfahren hat auch nichts mit den aktuellen Benzinpreisen zu tun, sondern es geht um Fälle aus dem vergangenen Jahr. Nach Überzeugung des Kartellamtes wird der Mineralölmarkt in Deutschland von den fünf Konzernen BP/Aral, ExxonMobil, ConocoPhillips (Jet), Shell und Total beherrscht. Durch das Oligopol der fünf Unternehmen sei die Marktstruktur wettbewerbsfeindlich. Laut Kartellamt wären bei funktionierendem Wettbewerb die Preise niedriger. Die Konzerne bestreiten das.

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Was wirft das Kartellamt den Konzernen vor?

Sie sollen Treibstoff aus Raffinerien an freie Tankstellen teurer verkauft haben, als sie selbst von ihren Endkunden an der Tankstelle verlangt haben. Also sollen sie den Sprit zu billig an den Endkunden beziehungsweise zu teuer an die freie Tankstelle verkauft haben. Mit einem solchen Verhalten können starke Unternehmen schwächere Marktteilnehmer aus dem Markt drängen. Es ist deshalb nach Paragraf 20, Absatz 4.3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verboten.

Was sagen die Konzerne dazu?

Sie halten den Vorwurf für „nicht nachvollziehbar“. Aral und Shell haben computerbasierte Kontrollsysteme installiert, um den Verkaufspreis an den Tankstellen nicht unter die Abgabepreise der Raffinerien sinken zu lassen. Bei den hektischen Preisbewegungen von bis zu 13 Cent am Tag könnte es sonst leicht passieren, dass Sprit an der Tankstelle billiger ist als bei der Raffinerie. Die Bruttomarge der Tankstellen, aus der alle Kosten zu decken sind, beträgt rund 11 Cent.

Warum geht das Kartellamt erst jetzt gegen die Konzerne vor?

Das Kartellamt beobachtet die Mineralölwirtschaft bereits seit Jahrzehnten und hat gerade erst im vergangenen Jahr den Sektor der Tankstellen intensiv untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass die Branche sich zwar gleichgerichtet verhält, aber nicht abspricht. Damit verstößt sie nicht gegen ein Gesetz. Die Unternehmen verstehen sich quasi blind und beobachten sich gegenseitig intensiv. Wenn eines der beiden marktführenden Unternehmen Aral oder Shell die Preise heraufsetzt, folgen alle anderen in kurzen Abständen nach. Es geht dann allerdings auch sofort wieder abwärts. Die Preisabteilung von Aral mit 2400 Stationen erhält zum Beispiel täglich 5000 Anträge auf Preissenkungen von ihren Pächtern und Markenpartnern.

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Was kann das Kartellamt noch tun?

Wenig. Es kann nur Bußgelder verhängen, wenn Unternehmen gegen Gesetze verstoßen. Dafür gibt es keine Belege. Hohe Preise sind kein Gesetzesverstoß; jedes Unternehmen darf frei entscheiden, wie viel es für seine Waren verlangt, so lange es sich an die Gesetze hält. An der Marktstruktur kann das Amt ebenfalls nichts ändern. Eine Zerschlagung des Oligopols, wie sie auch schon gefordert wurde, ist gesetzlich nicht möglich. An den Strukturen ist das Amt nicht ganz unschuldig, weil es vor elf Jahren die Übernahme von Aral durch BP und der RWE-Dea-Tankstellen durch Shell mit geringen Auflagen genehmigte. So erreichten Aral und Shell ihre dominierende Position.

Was konkret will die Politik gegen das Preishoch tun?

Es gibt einen bunten Strauß an Ideen: Konkret beschlossen wurde vergangene Woche vom Bundeskabinett eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Damit wurde die bislang bis Ende 2012 befristete Regelung zum Schutz der freien Tankstellen verankert, also dass sie von den Konzernen beim Spritkauf nicht benachteiligt werden. Zudem soll eine Markttransparenzstelle beim Kartellamt die Preise stärker beobachten und bei möglichen Absprachen einschreiten.

Reicht das?

Es ist weitgehender Konsens, dass dies kaum etwas an der aktuellen Situation ändern wird, da die Preise vor allem den Ölpreisen folgen, auch wenn auffällt, dass die Konzerne bisweilen mehr draufschlagen als nötig. Das Bundeskartellamt will nun das westaustralische Modell genau prüfen, womöglich soll es nur für die marktbeherrschenden Mineralölkonzerne BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total gelten. Sie müssten dann bis 14 Uhr einen Festpreis für den Folgetag melden, die freien Tankstellen könnten diesen dann unterbieten und so für mehr Wettbewerb an der Zapfsäule sorgen. Ob eine solche Benachteiligung der Konzerne aber rechtens wäre, steht auf einem anderen Papier.

Und die Pendlerpauschale, wird sie nun steigen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wollen trotz des Drucks aus Reihen der eigenen Partei und der FDP nicht mehr als die 30 Cent je Kilometer zahlen. Ohnehin ist es keine Spritpauschale, sondern die steuerliche Entlastung wird unabhängig vom Verkehrsmittel gewährt, also auch wenn man mit dem Rad zur Arbeit fährt. Bisher kostet die Pauschale den Bund 4,4 Milliarden Euro pro Jahr, bei 10 Cent mehr wären es rund sechs Milliarden Euro. Angesichts des Spardrucks gibt es hier wenig Spielraum, auch wenn der Staat rund zwei Milliarden Euro Mehreinnahmen durch die hohen Preise hat.

Was kann der Autofahrer als Sofortmaßnahme tun, um zu sparen?

Spritsparender fahren, Preise genau vergleichen oder das Auto öfter stehen lassen. „Statt Geld aus der Staatskasse zu nehmen, um den Pendlern ein Wahlkampfgeschenk zu machen, sollten wir lieber auf sparsame Autos umsteigen“, schlägt die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus vor. Die Erhöhung um zehn Cent würde einer Pendlerin mit einem Gehalt von 30.000 Euro und einem Arbeitsweg von 40 Kilometern 275 Euro pro Jahr mehr bringen. Wer bei einem Spritpreis von 1,50 Euro auf ein Auto, das zwei Liter weniger verbraucht, umsteigt, würde hingegen 552 Euro sparen. Bei dem aktuellen Preis von 1,70 Euro je Liter Super könnte die Ersparnis sogar bei 625 Euro liegen, so Paus.