Deutschland ist bereit zu einer Aufstockung der Euro-Hilfen auf 700 Milliarden Euro. Für die OECD reicht das Geld immer noch nicht.

Berlin/Brüssel. Auch nach Zugeständnissen Deutschlands dringt die internationale Wirtschaftsorganisation OECD auf noch höhere Schutzmauern um die Euro-Zone. OECD-Generalsekretär Angel Gurria sprach sich am Dienstag dafür aus, die Euro-Rettungsschirme für klamme Staaten auf mindestens eine Billion Euro aufzustocken.

Wenige Tage vor den Beratungen der Euro-Finanzminister am Freitag kritisierte der OECD-Chef damit Deutschland, das eine Aufstockung der Notkredite allenfalls zeitweise auf 700 Milliarden mittragen will. Die Unionsfraktion im Bundestag stellte sich mit großer Mehrheit hinter den Vorschlag der Bundesregierung für eine solche Ausweitung. Aus der FDP-Fraktion verlautete, es gebe „große Geschlossenheit“.

Gurria erneuerte in Brüssel seine Forderung nach einer deutlich höheren „Brandmauer“. „Wenn man mit Märkten zu tun hat, sollte man lieber über das Ziel hinausschießen“, sagte er. „Wenn die Märkte 50 erwarten oder 70 verlangen – dann gib' ihnen 100.“ Ein Mitspracherecht bei den Rettungsschirmen hat die OECD aber nicht.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vorgeschlagen, dass der im Juli startende dauerhafte Rettungsschirm ESM und die verplanten Nothilfen des vorläufigen Krisenfonds EFSF an Irland, Portugal und Griechenland eine Zeit lang parallel laufen. Dies bedeutet, dass das Kreditvolumen in einer Übergangszeit auf 700 Milliarden Euro steigt. Die Haftung Deutschlands könnte bis Sommer 2013 auf 280 Milliarden Euro klettern.

Die bisher noch ungenutzten EFSF-Gelder von 240 Milliarden Euro wiederum sollen eine Art Notfallreserve sein, solange der ESM nicht voll mit Kapital ausgestattet ist. Der ESM wird schrittweise bis 2015 gefüllt. Er verfügt daher nicht sofort über das volle Kreditvolumen.

An der dauerhaften ESM-Kreditobergrenze von 500 Milliarden Euro will Deutschland aber weiterhin nicht rütteln. Die Opposition wirft der Bundesregierung Wortbruch vor. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verschleierten die wahren Kosten und Risiken.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte: „Durch die höhere Brandmauer (..) ist das Risiko wesentlich geringer geworden, dass überhaupt eine Haftung einzieht.“ Insgesamt sei das Haftungsrisiko eher geringer geworden als höher, sagte er vor einer Sitzung der Unionsfraktion.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt erwartet ebenfalls keine höhere Milliarden-Haftung. Weil der EFSF weiterlaufe, werde das Vertrauen der Märkte gestärkt. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, es zeichne sich eine Lösung ab. Es gehe darum, ein zeitlich begrenztes Mitlaufen von EFSF-Teilen zu ermöglichen.

Bei der Abstimmung des Bundestages über den europäischen Fiskalpakt treten SPD und Grüne auf die Bremse. Sie plädieren für eine Verschiebung – notfalls bis Jahresende. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte nach einem Treffen der Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen, es gebe keinen übertriebenen Zeitdruck.

Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, sagte: „Für uns gibt es keine Notwendigkeit, vor Jahresende zu einer Ratifizierung zu kommen...“ Andere Staaten hätten ebenfalls angekündigt, Ende des Jahres oder Anfang 2013 den Fiskalpakt national umzusetzen. Kauder erwartet dennoch eine Entscheidung bis Mitte Juni.

Die schwarz-gelbe Koalition will Ende Mai im Bundestag endgültig über den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin abstimmen lassen. Schwarz-Gelb ist aber auf die Stimmen der Opposition angewiesen, da in Parlament sowie Länderkammer eine Zweidrittel-Mehrheit nötig ist. Die Opposition pocht auf eine Finanztransaktionssteuer zumindest in Europa oder der Euro-Zone sowie Wachstumsprogramme für Euro-Länder.

Im Streit über die Beteiligung des Bundestages an Euro-Hilfen haben sich Koalition und Opposition auf einen Kompromiss verständigt. Nach einem gemeinsamen Gesetzentwurf von Union, FDP sowie SPD und Grünen soll grundsätzlich das gesamte Plenum entscheiden.

Dies betrifft entgegen ersten Plänen auch eilige Fälle. Nur bei besonders vertraulichen Maßnahmen wie dem Kauf von Staatsanleihen auf dem sogenannten Sekundärmarkt soll ein kleines, geheim zu wählendes Sondergremium die Parlamentsrechte wahrnehmen. Bedenken des Bundesverfassungsgerichts wurden so ausgeräumt. (abendblatt.de/dpa)