Neben den Schuldenbremsen und den automatischen Sanktionen verstärkt der Vertrag die wirtschaftliche Zusammenarbeit, mindestens zwei Mal pro Jahr wird sich Gruppe künftig zu Sondergipfeln treffen. Damit werde die Währungsunion zu einer Wirtschaftsunion „und läuft dann endlich auf zwei Beinen“, sagte EU-Ratschef Herman Van Rompuy.

Brüssel. Mit der Unterzeichnung des Fiskalpaktes haben sich 25 der 27 EU-Mitgliedsstaaten am Freitag auf den Weg in eine Stabilitätsunion gemacht. Bis auf Großbritannien und Tschechien werden alle Länder bindende Schuldenbremsen einführen und sich automatischen Sanktionen beim Bruch der Defizitregeln unterwerfen. Nachdem die 25 auf dem Gipfel in Brüssel ihre Unterschrift unter den Vertrag gesetzt haben, muss er nun in den Hauptstädten ratifiziert werden.

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+++ Europa hat genug vom Drama um die Wirtschaftskrise +++

Riskant wird das vor allem für Irland, wo Premierminister Enda Kenny sein Volk abstimmen lassen wird. Und die Iren hatten schon die EU-Verfassung und den Lissabon-Vertrag in ersten Anläufen abgelehnt. Beim Fiskalpakt könnte das besonders heikel werden, denn ohne Ratifizierung bliebe dem hoch verschuldeten Land Hilfe aus dem Rettungsfonds ESM verwehrt. In Kraft treten könnte der Fiskalpakt aber auch ohne Dublin: Dafür reicht die Verabschiedung in zwölf Staaten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihre Kollegen nach erheblichem Widerstand von dem neuen Pakt überzeugen konnte, zeigte sich am Freitag erleichtert: „Ich glaube, das ist ein starkes Signal, dass wir die Lehren aus der Krise ziehen“, sagte sie. Der Pakt werde dafür sorgen, dass die Stabilitätsregeln der Währungsunion künftig eingehalten werden. Und er belege, „dass wir auf die Zukunft des vereinten Europas setzen“.

Neben den Schuldenbremsen und den automatischen Sanktionen verstärkt der Vertrag die wirtschaftliche Zusammenarbeit, mindestens zwei Mal pro Jahr wird sich Gruppe künftig zu Sondergipfeln treffen. Damit werde die Währungsunion zu einer Wirtschaftsunion „und läuft dann endlich auf zwei Beinen“, sagte EU-Ratschef Herman Van Rompuy. Er zeigte sich überzeugt, dass der Pakt das Vertrauen unter den Mitgliedsstaaten und in Europa verstärken werde, „und das bringt Wachstum und Jobs“. Mit einem Schuss Ironie forderte er „die begabten Regierungschefs am Tisch“ auf, nun ihre Parlamente und Wähler für den Vertrag zu gewinnen.

In den vergangenen Wochen konnte eine brisante Frage noch geklärt werden: wer beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen ein Land erheben soll, wenn die Schuldenbremsen nicht wasserdicht in nationales Recht verankert werden. Hätte das ein beliebiger Mitgliedsstaat tun können oder müssen, wäre die politische Willkür nicht wirklich ausgemerzt worden. Nun wird in einem ersten Schritt die Kommission prüfen. Sieht sie Verstöße, dann fällt es den drei Ländern zu, die jeweils als Trio die Ratspräsidentschaft leiten, Klage gegen den mutmaßlichen Vertragsbrecher einzureichen.

Von einer drohenden Spaltung der EU, weil sich Briten und Tschechien ausgeklinkt haben, wollte am Freitag niemand mehr sprechen. Kommissionschef José Manuel Barroso betonte, dass der Pakt für beide Staaten offenstehe – auch wenn der britische Premierminister David Cameron bislang nicht ans Einlenken denkt. Spätestens in fünf Jahren wird die Frage aber beantwortet werden müssen. Denn dann sollen die Kernelemente des Fiskalpaktes in die EU-Verträge geschrieben werden.

Die Aussicht auf ein schärferes Spardiktat der EU-Länder hat die Euro-Anleger am Freitag nicht überzeugt. Die Gemeinschaftswährung verbilligte sich im Vergleich zum Vortag um fast einen US-Cent auf 1,3238 Dollar und kostete damit so wenig wie seit gut einer Woche nicht mehr. Am Anleihenmarkt hat die Euphorie nach der zweiten Welle billigen Geldes der Europäischen Zentralbank (EZB) etwas nachgelassen. Die Renditen der italienischen zehnjährigen Anleihen pendelten um die Fünf-Prozent-Marke, unter die sie am Donnerstag erstmals seit August wieder gefallen waren. Auch bei den spanischen Pendants gingen die von den Anlegern geforderten Risikoaufschläge nicht weiter zurück. Sie rentierten bei 4,895 Prozent und damit in Reichweite ihres Vortagesschlusses von 4,889 Prozent. Statt dessen griffen Investoren wieder stärker bei den als sicher geltenden Bundesanleihen zu. Die Kurse stiegen, die Renditen gaben leicht nach auf 1,837 nach 1,872 Prozent am Vortag.

„Den großen Befreiungsschlag bei Peripherie-Anleihen hatten wir nach dem ersten Tender“, sagte HSBC-Trinkaus-Volkswirt Rainer Sartoris. „Wir sind zwar weiter in einem soliden Fahrwasser, aber ein neuer Quantensprung ist nicht zu erwarten - dafür war schon zu viel eingepreist.“ Die EZB hatte den Banken der Euro-Zone am Mittwoch fast 530 Milliarden Euro zu ultra-niedrigen Zinsen zur Verfügung gestellt, etwas mehr als bei der ersten Auktion vor Weihnachten. Die Geldhäuser sollen damit auch wieder mehr Spielraum für den Kauf von Anleihen aus hoch verschuldeten Euro-Ländern haben. Vor allem die Renditen italienischer Papiere, die im Dezember noch um sieben Prozent notierten, haben seit Jahresanfang deutlich verloren.

Hintergrund

Der neue Fiskalpakt verpflichtet die Unterzeichner zu strenger Haushaltsdisziplin. Das Abkommen mit dem offiziellen Namen „Vertrag für Stabilität, Koordination und Regierungsführung“ soll eine Wiederholung der Schuldenkrise verhindern. 25 EU-Staaten haben das internationale Abkommen beim Gipfeltreffen am Freitag in Brüssel unterschrieben. Nicht alle 27 EU-Staaten ziehen mit: Großbritannien und Tschechien bleiben außen vor, Irland lässt das Volk über das Abkommen abstimmen. In Kraft treten soll der Vertrag spätestens Anfang 2013. Die Kernpunkte:

Ausgeglichener Haushalt: Die Unterzeichner streben nahezu ausgeglichene Haushalte an. Das jährliche, um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigte Staatsdefizit eines Landes darf 0,5 Prozent der Wirtschaftskraft nicht übersteigen. Die Staaten führen nationale Schuldenbremsen ein und verankern sie in ihrer Verfassung oder auf vergleichbarer Ebene.

Defizitverfahren: Verschuldet sich ein Staat zu sehr, wird automatisch ein Defizitverfahren ausgelöst. Anders als bisher können Sanktionen nur noch von einer Zwei-Drittel-Mehrheit der EU-Finanzminister gestoppt werden. Liegt die Gesamtverschuldung über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, soll sie pro Jahr um ein Zwanzigstel reduziert werden.

Klagerecht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) überprüft, ob die Staaten die Schuldenbremse auch in nationales Recht umsetzen. Klagen kann nur ein anderes Unterzeichnerland, nicht aber die EU-Kommission.

Sanktionen: In letzter Konsequenz kann das oberste EU-Gericht gegen Haushaltssünder des Eurogebiets eine Geldstrafe von bis zu 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung verhängen. Die Summen fließen bei Euro-Ländern in den Euro-Rettungsfonds ESM, ansonsten in den allgemeinen EU-Haushalt.

Verknüpfung mit ESM: Der Sparpakt wird mit dem im Juli startenden ständigen Krisenfonds ESM verknüpft werden. ESM-Hilfen sollen also nur die Euro-Länder erhalten, die auch den neuen Pakt unterzeichnet haben – was zu einem potenziellen Problem für Irland werden könnte.