Ob Beiersdorf, Aurubis oder EADS: Hamburgs Rolle als Investor bei Unternehmen war und ist umstritten. Auch im Fall Hapag-Lloyd sind Ökonomen uneins.
Hamburg. Ein schlechtes Gewissen war Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) bei seiner Pressekonferenz am Dienstag nicht anzumerken. Im Gegenteil wirkte er eher zufrieden darüber, dass die Stadt als Teil des Hamburger Konsortiums Albert Ballin ihre Anteile an der Reederei Hapag-Lloyd weiter aufstocken wird. In den Verhandlungen mit dem Touristikkonzern TUI, bislang noch größter Einzelinvestor bei Hapag-Lloyd, gebe es nach komplizierten Verhandlungen ein "Verständigungsergebnis". Hamburg will noch einmal mehr als 400 Millionen Euro investieren, um seinen Anteil an der Reederei durchgerechnet um fast 13 Prozent auf insgesamt 37 Prozent aufzustocken. Die Stadt ist dann mit insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro bei der Reederei investiert - bei einem Schuldenstand des Stadtstaates von insgesamt fast 26 Milliarden Euro.
Schon mehrfach haben Tschentscher und dessen Chef, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), deutlich gemacht, dass sie Hapag-Lloyd als eigenständig operierende Reederei am Standort Hamburg halten wollen. Dadurch soll indirekt auch der Hafen gestützt werden. Dessen wichtigster Kunde sind Hapag-Lloyd und deren Partnerreedereien im Schifffahrtsbündnis Grand Alliance, das künftig zur G6 Alliance erweitert wird. Allein dafür, eine theoretisch mögliche feindliche Übernahme der Hamburger Reederei durch einen anderen Investor auszuschließen, nimmt die Stadt erneut Hunderte Millionen Euro in die Hand. Damit befeuert der Senat einmal mehr die Debatte, was der Staat als Investor bei privaten Wirtschaftsunternehmen zu suchen hat.
+++ Hamburg wird größter Teilhaber bei Hapag-Lloyd +++
Hamburg fiel seit Beginn der 2000er-Jahre durch rege Investitionen in Unternehmen mit Sitz in der Hansestadt auf, stets mit dem Argument der Standortsicherung. Ob beim Kosmetikkonzern Beiersdorf, der Kupferhütte Aurubis, der Airbus-Konzernmutter EADS oder bei Hapag-Lloyd - weder die CDU, die im vergangenen Jahrzehnt in Hamburg teils ohne Koalitionspartner regierte, noch die SPD, die derzeit über die absolute Mehrheit verfügt, zeigten bei staatlichen Investitionen in Unternehmen Berührungsängste.
+++ Leitartikel: Handeln für Hamburg +++
"Das Investment der Stadt Hamburg bei Hapag-Lloyd muss man in einen größeren Zusammenhang stellen. Es geht ja nicht nur um die Stärkung der Reederei selbst, sondern um ein ganzes Netzwerk maritimer Unternehmen bis hin zum Hamburger Hafen", sagt Professor Wolfgang Michalski, der Doyen der Hamburger Ökonomen. Michalski hatte bis 2001 mehr als 20 Jahre lang den Planungsstab der multistaatlichen Wirtschaftsorganisation OECD in Paris geleitet. Heute fungiert er mit Wohnsitzen an Seine und Elbe als ehrenamtlicher "Hamburg Ambassador", Botschafter vor allem für wirtschaftliche Anliegen der Hansestadt in aller Welt. Im Jahr 2010 legte Michalski das Buch "Hamburg - Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt" vor, eine universelle Wirtschaftsgeschichte der Hansestadt über einen Zeitraum von fast 1000 Jahren. Erst kürzlich wurde eine aktualisierte Neufassung des Buches auf Englisch präsentiert.
Michalskis wichtigste Erkenntnis darin: Hamburg profitiert als eine von wenigen Städten weltweit seit fast einem Jahrtausend von den unterschiedlichen Wellen der Globalisierung. Denn die städtische Politik hielt den nötigen Wandel der Wirtschaft in der Regel nicht auf, sondern ließ Unternehmen und Branchen untergehen, wenn deren Zeit reif war. So kamen und gingen in Hamburg etwa die Tuchweberei und die Zuckerproduktion, eine europaweit bedeutende Bierbrauerbranche und eine weltweit führende Werftindustrie.
Doch wie passt dieser historische Wirtschaftsliberalismus zu den teils massiven Beteiligungen der Stadt bei Hapag-Lloyd und anderen Firmen? "Ein solches Engagement ist sinnvoll, wenn es eine gesamtwirtschaftliche Dimension hat und nicht nur die eines einzelnen Unternehmens", sagt Michalski. "In Fällen wie Beiersdorf, Aurubis und auch bei Hapag-Lloyd hat die Stadt Hamburg klug gehandelt." Allerdings müsse die Investition bei Hapag-Lloyd zeitlich befristet werden, so wie seinerzeit bei Beiersdorf und Aurubis.
Unter der Maßgabe der Befristung hält auch Professor Michael Bräuninger die Investitionen der Stadt in ortsansässige Unternehmen für vertretbar. Insgesamt aber tut sich der Chefökonom des Hamburgischen WeltWirtschafts-Instituts (HWWI) schwer damit, die Beteiligungen des Senats gutzuheißen: "Bei Beiersdorf oder Aurubis hat die Stadt den Erhalt der Unternehmen am Standort gesichert und später beim Verkauf der Anteile sogar noch Geld verdient. Wenn das bei Hapag-Lloyd auch so funktioniert, kann man es nicht rundweg kritisieren", sagt Bräuninger. "Grundsätzlich bin ich allerdings nicht der Meinung, dass diese Form des Ein- und Ausstiegs bei Unternehmen eine Aufgabe des Staates ist."
Eindeutig gegen staatliche Beteiligungen dieser Art argumentiert Thilo Schaefer, Experte für öffentliche Haushalte am wirtschaftsnahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln: "Vor dem Hintergrund hoch überschuldeter öffentlicher Haushalte liefert das, was Hamburg da tut, ein ganz schlechtes Signal. Grundsätzlich wäre ich skeptisch, wenn die öffentliche Hand als marktwirtschaftlicher Akteur auftritt", sagt Schaefer. "Es zeigt sich, dass unsere Marktwirtschaft gerade angesichts der Finanzmarktkrise viel klarere Regeln und Grundsätze braucht als bisher."