Hoffnung auf Trendwende: Hapag-Lloyd will die Politik der ruinösen Frachtraten beenden. Mehrere Schiffsfinanzierungsfonds bereits pleite.
Hamburg. Möglicherweise ist es die Trendwende, auf die man in der Containerschifffahrt so lange gewartet hat. Ende Januar kündigte eine Reihe führender Linienreedereien an, die Frachtraten - Transportpreise - für Container in den kommenden Monaten deutlich zu erhöhen. Hapag-Lloyd in Hamburg machte den Anfang. Weltmarktführer Maersk in Kopenhagen zog direkt nach, gefolgt von Branchengrößen wie CMA CGM aus Frankreich, MSC aus der Schweiz oder Evergreen aus Taiwan. Der Preis für den Transport einer 20-Fuß-Container-Standardeinheit (TEU) von Chinas Ostküste in die nordeuropäischen Häfen dürfte sich bis zum Frühlingsbeginn auf 1500 Dollar in etwa verdoppeln. Die Route von Fernost an die Nordsee ist die wichtigste des internationalen Containerverkehrs, die Preisentwicklungen dort besitzen Signalcharakter für die gesamte Branche. "Wir müssen endlich wieder Geld verdienen", sagt ein Hamburger Insider.
Überraschend schnell hatten die Containerlinien im Jahr 2010 den Schock der Finanzmarktkrise von 2008 und 2009 überstanden. Keines der großen Unternehmen musste mit einem anderen fusionieren oder gar Insolvenz anmelden. 2010 machten die Linien nach der kurzen, heftigen Rezession wieder Profit. Dann aber begannen Maersk und der Branchenzweite MSC einen Preiskampf um Marktanteile, der die Branche Milliarden Dollar und Euro kostete. Nur Hapag-Lloyd fuhr als eine der großen Containerreedereien zuletzt noch einen kleinen operativen Gewinn ein, schrieb aber beim Nettoergebnis ebenfalls Verlust.
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Nun scheint der ruinöse Preiskampf beendet. "Wenn sich diese Entwicklung so hält, werden die Linienreedereien bald wieder in die schwarzen Zahlen kommen", sagt der Hamburger Reeder Hermann Ebel. Er und viele andere Schifffahrtskaufleute in Hamburg und Norddeutschland müssen darauf hoffen, dass die großen Linien zu marktgerechtem Verhalten zurückkehren. Ebels Unternehmensgruppe Hansa Treuhand vermietet Schiffe an Linienreedereien. Überkapazitäten und der Preiskampf schlagen auf den Chartermarkt voll durch. Die Mietpreise für die Frachter, die sogenannten Charterraten, gingen seit Anfang 2011 besonders für kleinere und mittelgroße Containerschiffe tief in den Keller. Rund 8000 Dollar am Tag muss eine Linienreederei derzeit für ein Schiff mit 5000 TEU Containerkapazität zahlen, Anfang 2011 waren es noch 25.000 Dollar.
Der Preiskampf am Containermarkt hat eine gefährliche Kettenreaktion ausgelöst. Unternehmen wie Hansa Treuhand oder die Nordcapital-Gruppe von Erck Rickmers bereedern die Schiffe nicht nur, sie werben auch Kapital von Anlegern ein, um Frachter und Tanker zu finanzieren. Organisiert sind die Schiffe zumeist in Einschiffsunternehmen als Kommanditgesellschaften. Jahrelang hat das viel gerühmte deutsche "KG-Modell" prächtig funktioniert. Die Anleger profitierten von lukrativen, nahezu steuerfreien Ausschüttungen. Die Banken, die 60 bis 70 Prozent des Schiffspreises als Fremdkapital finanzierten, ließen sich dies ebenfalls gut bezahlen.
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Die Weltfinanzmarktkrise seit 2008 zerstörte das alte Gefüge. Die Banken wollen in Schiffe nicht mehr investieren, das stark zyklische Geschäft erscheint ihnen zu unsicher. Selbst Spezialinstitute für Schiffsfinanzierungen wie die HSH Nordbank oder die Deutsche Schiffsbank verringern ihre Kreditportfolios für Frachter und Tanker. Kapital aber wird gebraucht, um bereits fahrende, finanziell aber Not leidende Schiffe über Wasser zu halten. "Das Niveau der Charterraten in jüngerer Zeit lässt bei vielen Schiffen einen vollen Kapitaldienst nicht zu", sagt Reeder Ebel. Hansa Treuhand habe sich dadurch Luft verschafft, dass in besseren Jahren höhere, außerordentliche Kredittilgungen für Containerschiffe geleistet wurden. Aber auch Ebels Unternehmen musste bei den Anlegern in der jüngsten Krise nachträglich Kapital für 20 finanziell angeschlagene Schiffe einwerben, im Durchschnitt waren es 2,3 Millionen Euro je Schiff. Und es trifft nicht nur den Containermarkt. In der vergangenen Woche räumte das Hamburger Geldanlagehaus HCI Capital ein, dass sechs seiner Fondsschiffe insolvent seien, Produktentanker, die an die griechische Reederei Hellespont verchartert worden waren.
Die erste größere Reederei in Deutschland, die dem Druck steigender Kosten und schwindender Finanzierungsquellen nicht mehr standhält, ist Komrowski in Hamburg. Bis Ende März soll das Unternehmen von der E.R. Capital Holding des Reeders Erck Rickmers übernommen werden. Mit 162 Schiffen und 9,4 Millionen Tonnen Tragfähigkeit steigt das neue Gemeinschaftsunternehmen, das unter der Marke Blue Star firmieren soll, bei der Transportkapazität zur größten deutschen Reederei auf. Nicholas Teller, Chef von E.R. Capital Holding, warb dieser Tage um den Beitritt weiterer, vor allem deutscher Reedereien: "Der schwierige Markt wird bei Linien- und Charterreedereien einen Konsolidierungsdruck erzeugen." Die Gruppe strebe einen Ausbau der Flotte auf 200 bis 250 Schiffe an. Größe sei wichtig: "Banken werden sich bei der Schiffsfinanzierung künftig auf ertragsstarke Unternehmen konzentrieren, die mit der Kraft ihrer Bilanz entsprechende Finanzierungen stemmen können."
Reeder Hermann Ebel geht davon aus, dass der Markt für Containerschiffe erst Ende 2013 wieder ein zufriedenstellendes Niveau erreichen wird. "Bis 2013 wird man keine bedeutenden Aufträge für neue Containerschiffe sehen. Nach fünf Jahren ohne Neubauaufträge wird es bei den Schiffsgrößen von 1000 bis 5000 TEU allerdings schnell Engpässe geben." Ebel ist überzeugt, dass dann der ewige Zyklus wieder von vorn beginnt: schnell steigende Charterraten, ein boomender Markt, viele Bestellungen neuer Schiffe - bis zum nächsten Abschwung. "Schweinezyklus" nennt man dieses Auf und Ab nach dem Vorbild der Massentierhaltung. "Die Schifffahrt wird ihre Schweinezyklen nicht loswerden", glaubt Ebel. "Eigentlich können wir auch gleich Schifffahrtszyklen dazu sagen."