Die dringend notwendige Umschuldung soll kommen – doch reicht das? Die bisherigen Rettungspläne werden von Experten in Zweifel gezogen.
Berlin. Die Verhandlungen über einen Schuldenschnitt für Griechenland sollen in den nächsten Tagen abgeschlossen werden. Auch die Gespräche über ein zweites Hilfspaket der Euro-Zone und des IWF von 130 Milliarden sind nach Angaben der Regierung in Athen so gut wie beendet. Das Land braucht die Entlastung dringend, wie ein näherer Blick auf die Zusammensetzung seines Schuldenbergs zeigt. Experten zweifeln allerdings, ob die bisherigen Pläne ausreichen, um Griechenland wieder auf die Beine zu stellen. Im Gespräch ist deshalb, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) einen Beitrag leistet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Griechenlands Schulden:
Wie hoch ist der Schuldenberg?
Nach Angaben des griechischen Finanzministeriums hat das Land insgesamt rund 352 Milliarden Euro Schulden. Bezogen auf seine jährliche Wirtschaftsleistung (BIP) sind das gut 160 Prozent – Tendenz steigend. Denn das BIP schrumpft und das jährliche Defizit wird auch in diesem Jahr mindestens 5,5 Prozent des BIP betragen nach 9,6 Prozent 2011. Das Land wird also immer schwächer und muss zugleich mehr Schulden bedienen.
Zum Vergleich: Die deutschen Staatsschulden summieren sich - bezogen auf das BIP – auf weniger als die Hälfte Griechenlands. Und selbst das ist zu hoch: Die EU erlaubt eigentlich nur eine Quote von 60 Prozent. In Italien sind es rund 120 Prozent. Ziel der Euro-Zone und des IWF ist es, diesen Wert bis 2020 auch für Athen zu erreichen, was als eingermaßen schuldentragfähig gilt.
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Wer sind die Gläubiger?
Von den insgesamt gut 350 Milliarden Euro an Schulden stammen 90 Milliarden Euro aus Krediten. Diese kommen vom IWF (20 Milliarden Euro), von den Euro-Partnern (53 Milliarden Euro) sowie anderen Geldgebern (rund 20 Milliarden Euro).
Weitere 260 Milliarden Euro entfallen auf Staatsanleihen. Davon verteilen sich 200 Milliarden Euro auf private Gläubiger wie Banken oder Versicherung. Weitere rund 55 Milliarden Euro an Staatsanleihen hat schätzungsweise die EZB in ihren Büchern.
Worüber wirt mit den privaten Gläubigern verhandelt?
Die Schuldenschnitt-Verhandlungen beziehen sich nur auf die Ansprüche der privaten Gläubiger – also nur auf knapp 60 Prozent aller Verbindlichkeiten. Sie sollen auf die Hälfte der nominalen Ansprüche verzichten, rund 100 Milliarden Euro. Wie hoch der individuelle Verlust ausfällt, hängt davon ab, zu welchen Preisen sie die Staatsanleihen gekauft haben.
Einen wirklich transparenten Überblick, wer die privaten Gläubiger sind, gibt es nicht. Experten schätzen, dass etwa ein Viertel der Ansprüche – 50 Milliarden Euro – bei griechischen Banken liegt. Weitere 40 Milliarden dürften andere europäische Banken besitzen. Bei griechischen Sozialversicherungen werden 30 Milliarden Euro vermutet und bei europäischen Versicherern noch einmal rund 15 Milliarden Euro. Die restlichen 60 bis 70 Milliarden Euro können nicht klar zugeordnet werden. Spekuliert wird, dass vor allem Hedgefonds diese Staatsanleihen besitzen.
Um das Ziel zu erreichen, die Schuldentragfähigkeit bis 2020 auf 120 Prozent/BIP zu verbessern, muss sich eine ausreichende Anzahl privater Gläubiger an dem freiwilligen Forderungsverzicht beteiligen. Das steht keineswegs fest: Wie hoch die Quote sein wird, wird erst klar, wenn sie auf ein offizielles Angebot zum Tausch ihrer Anleihen in neue Schuldtitel geantwortet haben.
Außerdem kommt der Konsolidierungskurs der Regierung nicht in dem Tempo voran, das vereinbart worden war: Der Eigenbeitrag des Landes zu seiner Sanierung könnte kleiner ausfallen. Schließlich fallen auch die Wirtschaftsdaten schlechter aus als gehofft.
Was ist mit den öffentlichen Gläubigern?
Aus diesen Gründen hatte etwa IWF-Chefin Christine Lagarde erklärt, es könnte auch eine Beteiligung öffentlicher Gläubiger notwendig werden – die immerhin 40 Prozent der Schulden halten.
Hier muss unterschieden zwischen den Kreditgebern und der EZB. Die Kreditgeber aus dem ersten Hellas-Hilfspaket, darunter Deutschland, könnten die Zinsen von derzeit 4,5 Prozent weiter senken oder auf Rückzahlung verzichten – zu Lasten der eigenen Steuerzahler. Das lehnen sie ab und verweisen darauf, dass sie ja schon für ein zweites Hilfspaket weitere Risiken eingingen.
Bleibt die EZB, die Staatsanleihen gekauft hat, allerdings im Rahmen ihres geldpolitischen Mandats, also zur Sicherung der Finanzstabilität der Euro-Zone. Auf einen Teil der Ansprüche von 55 Milliarden Euro zu verzichten, fiele aber in den Bereich der verbotenen Staatsfinanzierung, argumentieren die Gegner eines solchen Schritts. Befürworter sagen, die EZB könnte wenigstens auf Zinsgewinne aus den billig eingekauften Papieren verzichten. (Reuters/abendblatt.de)