Im Nervenkrieg um den Schuldenerlass für Griechenland verschärfen die Kassenhüter der Eurozone den Ton gegenüber den Banken.

Brüssel/Paris/Athen. Die Euroländer haben am Montag im Ringen um einen Schuldenerlass für Griechenland den Druck auf die Banken erhöht. "Wir haben niemals gesagt, es müsse freiwillig geschehen“, sagte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager zum Auftakt eines Ressortcheftreffens in Brüssel. Das Ziel sei, dass Athen seine Schulden dauerhaft selber tragen könne. Der dafür notwendige Verzicht der privaten Gläubiger auf einen großen Teil ihrer Kredite solle „vorzugsweise“ ohne Zwang erreicht werden. „Aber das ist für uns keine Bedingung.“

Am Nachmittag besprachen die obersten Kassenhüter der Eurozone mit ihrem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos den Stand der Verhandlungen. "Wir haben eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Wir sind bereit, das Verfahren termingerecht abzuschließen“, sagte Venizelos vor dem Treffen. Athen droht die Staatspleite, wenn die Banken-Verhandlungen scheitern.

De Jager ist der erste Finanzminister, der offen einen erzwungenen Schuldenschnitt und damit ein Kreditereignis in die Diskussion bringt. Zwar hatte der griechische Ministerpräsident Lukas Papademos schon vor einer Woche mit gesetzlichen Schritten gedroht, um Banken und Fonds zur Kasse zu bitten. Die Eurogruppe selbst hatte bislang aber auf eine freiwillige Lösung gepocht.

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EU-Finanzkommissar Olli Rehn dämpfte am Montag die Hoffnung, ein Deal stehe unmittelbar bevor. Es sei „wünschenswert", wenn der Durchbruch „im Laufe der Woche“ gelinge. Doch die Zeit läuft aus: Sollte bis zum EU-Gipfel am 30. Januar keine Lösung gefunden sein, droht der Zeitplan zur Griechenland-Rettung endgültig zu platzen. „Wir sind bereit, rechtzeitig fertig zu werden“, sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos. Der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden fügte hinzu: "Ich denke, dass wir auf dem Weg sind, eine gute Lösung zu finden.“

"Niemand schreibt 70 Prozent freiwillig ab"

Venizelos streitet seit Dezember mit den Banken über den Schuldenschnitt. Dabei geht es insbesondere um die Zinsen, die die privaten Gläubiger für die verbleibende Teilschuld Athens von rund 100 Milliarden Euro erhalten sollen. Im Gespräch waren zuletzt drei bis vier Prozent, was auf einen Verlust von bis zu 70 Prozent des Kredit-Gegenwartswertes hinauslaufen könnte. „Niemand schreibt 70 Prozent freiwillig ab“, meinte de Jager dazu.

Die Kosten für seine neuen Kredite sind mitentscheidend dafür, ob Griechenland aus der Schuldenfalle herauskommt. Nur wenn die Tragfähigkeit gesichert ist, können der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europartner das geplante neue Rettungspaket aufsetzen. Dass die Eurozone im Notfall ihr Angebot vom Herbst von 130 Milliarden Euro aufstocke, sehe er nicht, sagte EU-Kommissar Rehn. „Wir arbeiten auf der Grundlage der Oktober-Entscheidungen.“

Reaktionen aus Deutschland

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf die Frage, ob Athen möglicherweise einen Überbrückungskredit benötige, falls die Verhandlungen nicht vorankämen: "Die Frage eines Überbrückungskredits stellt sich für mich nicht. Ich gehe davon aus, dass wir die Verhandlungen der privaten Gläubiger und das neue Griechenland-Programm zu einem gemeinsamen Zeitpunkt so rechtzeitig fertig haben, dass es keinerlei neuen Überbrückungskredit braucht.“ Die Troika sei zur Zeit in Griechenland. Danach müsse alles zusammengeführt werden.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein französischer Amtskollege François Baroin rechneten mit einem schnellen Abschluss der Verhandlungen. Dies machten sie im Anschluss an den deutsch-französischen Wirtschafts- und Finanzrat in Paris deutlich.

Unterdessen können die Griechen seit Sonntagabend im Internet nachlesen, wer dem griechischen Staat große Summen schuldet und damit zum Teil für die Wirtschaftsmisere im Lande mit verantwortlich ist. Die Regierung veröffentlichte eine 170 Seiten lange Liste mit den Steuersündern. Sie schulden dem griechischen Staat insgesamt knapp 15 Milliarden Euro. Auf der Liste, die Finanzminister Venizelos als „Liste der Schande“ bezeichnet hatte, stehen 4152 Namen – darunter sind auch Sänger, Unternehmer und Händler.

Mit Material von dpa