Das auf Hilfsgelder angewiesene Ungarn zeigt sich gesprächsbereit, nachdem die EU drei Verfahren gegen das Land eingeleitet hat.

Berlin. Im Streit mit der EU zeigt sich Ungarns Ministerpräsident Victor Orban mit Blick auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren notgedrungen kompromissbereit. „Wir sind offen und bereit, über alle Probleme zu verhandeln, die von der EU-Kommission auf der Basis seriöser Argumente vorgebracht werden“, sagte Orban der „Bild“-Zeitung. Beim Nationalbankgesetz sei er zu Kompromissen bereit. „Wir werden uns in diesem Fall der Macht beugen, nicht den Argumenten“, sagte er. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP) zeigte sich besorgt über die Lage in Ungarn.

Orban sagte, der Zentralbankpräsident sei vom früheren Parlament gewählt worden, das auch die Mitgliederzahl des Finanzrates festgelegt habe. „Jetzt geht es nur noch darum, ob dieser Finanzrat aufgestockt werden soll. Wenn die EU damit Probleme hat, werden wir bereitwillig den Forderungen nachkommen“, sagte er.

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Vorwürfe, seine Regierung handle undemokratisch, wies Orban zurück. „Wer uns den Willen zur Demokratie abspricht, dem empfehle ich einen Blick in unsere Verfassung“, sagte er. „Ungarn ist und bleibt demokratisch und ein Land der Freiheitskämpfer. Wir stehen für unsere Werte und unsere Nation, auch wenn es Gegenwind gibt.“

Die EU-Kommission hatte am Dienstag drei Verfahren wegen der Verletzung der EU-Verträge gegen die Regierung in Budapest eingeleitet. Sie sieht die europäischen Regeln verletzt bei der Kontrolle über die Zentralbank, beim Eingriff in die Justiz und bei der Beschneidung des Datenschutzes. Orban wollte am Mittwoch an einer Debatte über die Lage seines Landes im Europäischen Parlament in Straßburg teilnehmen.

Löning sagte der Zeitung „Die Welt“: „Ich bin sehr besorgt um die Unabhängigkeit der Justiz und die Entwicklung der Meinungsfreiheit in Ungarn.“ Die Bundesregierung erwarte, dass alle Reformen in Ungarn in Respekt vor den europäischen Werten angegangen werden. „Es kann kein Durchregieren in einer Demokratie geben“, sagte Löning. Das ungarische Mediengesetz verbreite einen Geist der Angst und müsse überarbeitet werden. Zudem platziere die Regierungspartei Fidesz überall Gefolgsleute, die mit ungewöhnlich langen Mandaten versehen würden.