Im Streit mit der EU über die Verfassungsreformen stellt sich das verschuldete Ungarn auf rechtliche Maßnahmen aus Brüssel ein.

Budapest. Der Streit zwischen der EU und Ungarns Regierung über die jüngste Verfassungsreform spitzt sich weiter zu. Budapest stellt sich auf rechtliche Schritte der EU-Kommission ein. Vize-Ministerpräsident Tibor Navracsics sagte am Dienstag im ungarischen Fernsehen, die Behörde werde wegen der Gesetze zur Zentralbank, zur Pensionierung von Richtern und zum Datenschutz Vertragsverletzungsverfahren eröffnen. Der Politiker bestätigte damit frühere Informationen aus EU-Kreisen. Er signalisierte keine Bereitschaft zu Zugeständnissen, die ein Verfahren noch in letzter Minute verhindern könnten. Ein Verfahren würde das klamme Land bei seinem Bemühen um neue Finanzhilfen in Bedrängnis bringen. Die EU-Kommission wollte noch am Dienstag über ihr weiteres Vorgehen entscheiden.

Er habe mit EU-Justizkommissarin Viviane Reding telefoniert, die EU-Unterlagen aber noch nicht gesehen, sagte Navracsics weiter. „Bei den Punkten Zentralbankgesetz und Datenschutz stehen wir kurz davor, möglicherweise in naher Zukunft eine Lösung zu finden.“ Er werde einer stärkeren Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde sicher nicht im Weg stehe. In der Frage des Pensionierungsalters von Richtern gebe es aber noch Diskussionsbedarf.

+++ Hintergrund: Was kann die EU im Streit mit Ungarn tun? +++

Die EU wirft Ungarn Kreisen zufolge mangelnde Zugeständnisse vor, um die Bedenken der EU auszuräumen. Die Regierung des Konservativen Viktor Orban streitet seit Wochen mit der Kommission darüber, ob die beanstandeten Gesetze gegen EU-Recht verstoßen. Durch eine Umstrukturierung der Zentralbankführung ist nach Befürchtung der EU die Unabhängigkeit des Instituts von politischer Einflussnahme nicht gesichert. Gleiches gilt für die Datenschutzbehörde. Auch die Unabhängigkeit der Richter sieht die Behörde in Gefahr, da durch eine befristete Herabsetzung des Pensionsalters viele Richter vorzeitig in Rente geschickt und durch der Partei Orbans nahestehende Juristen ersetzt werden können.

+++ Ungarn spart nicht und gerät unter weiter Druck +++

+++ Ministerpräsident Orban braucht EU und IWF +++

Wegen der Auseinandersetzung steht Ungarn auch finanziell unter Druck. Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) weigerten sich bisher, den Antrag des Landes auf Finanzhilfen zu behandeln. Ihr Argument: Ohne gesicherte Unabhängigkeit der Zentralbank sei die Finanzstabilität Ungarns gefährdet. Die Zeitung „Nepszabadsag“ berichtete am Wochenende unter Berufung auf regierungsnahe Kreise, Ministerpräsident Orban sei zur Aufgabe des umstrittenen Umbaus der Notenbankführung bereit, wenn dies der Preis für neue Finanzhilfen von EU und IWF sei. (Reuters/abendblatt.de)