Der Außenminister steuert beim Athen-Besuch gegen das Bild des “strengen Deutschen“. Weiter Uneinigkeit über Umgang mit der Euro-Krise.

Athen/Berlin/Hamburg. Deutschlands Image in Europa hat in den vergangenen Monaten gelitten. Da war die Rede von den dominanten und strengen Deutschen, den Besserwissern, die anderen ihren Willen aufdrücken und die nicht weniger wollen als die „Herrschaft über Europa“. Bundeskanzlerin Angela Merkel musste sich Vergleiche mit Hitler und Bismarck gefallen lassen – und Vorwürfe, sie unterwerfe den Kontinent ihrem Diktat.

Zuletzt jagte ein Krisengipfel den nächsten, Zeit für einfühlsame Überzeugungsarbeit blieb wenig. Und je mehr sich die missliche Lage zuspitzte, umso mehr alte Ressentiments bahnten sich ihren Weg. Die Frustration über die Finanzmisere, der Ärger über Sozialkürzungen und die Angst vor der Zukunft entlud sich bei manch einem in Wut auf die Deutschen. Auch in Griechenland, dem größten Sorgenkind der EU, wurde kräftig gewettert gegen den vermeintlichen Befehlston aus Berlin.

Außenminister Guido Westerwelle bemüht sich deshalb bei seinem Kurzbesuch in Athen um verbindende Worte und Beziehungspflege. Nur gute fünf Stunden ist er an diesem Sonntagabend in der griechischen Hauptstadt zu Gast. Im Eiltempo trifft den Ministerpräsidenten Lukas Papademos, den Außenminister Stavros Dimas und den Vorsitzenden der konservativen Partei Nea Dimokratia, Antonis Samaras, der sich Hoffnungen macht, nach der Neuwahl in wenigen Monaten selbst an der Spitze der Regierung zu stehen.

Ermutigung, Anerkennung, Hochachtung

Sein Besuch sei ein Signal der Ermutigung, der Anerkennung und der Hochachtung für das, was die Griechen derzeit zu schultern hätten, sagt Westerwelle gleich mehrfach. Die Reformen und Kürzungen seien hart, aber es führe eben kein Weg daran vorbei. Höflich spornt er an, das Land müsse den Reformkurs weiterverfolgen, dürfe nicht nachlassen, auch wenn es noch so mühsam sei. Deutschland stehe bei all dem als Partner an der Seite Griechenlands – in Freundschaft, auf Augenhöhe.

Zuhören, bisherige Fortschritte loben, gut zureden und zu weiteren Reformen ermuntern – das hat Westerwelle bereits an mehreren Stellen in Europa gemacht, zuletzt in Lissabon. Die Portugiesen schienen fast sehnsüchtig auf diese Art des Zuspruchs gewartet zu haben.

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Auch und gerade die Griechen können moralische Unterstützung gebrauchen. Die Übergangsregierung um Ministerpräsident Papademos tut sich schwer damit, dem Land die unbequemen Reformen abzutrotzen. Immer wieder wird gestreikt und demonstriert. Die Menschen begehren auf gegen rigides Sparen und schmerzhafte Kürzungen.

Auch die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt gestalten sich zäh. Die Gespräche wurden für mehrere Tage unterbrochen. Eine Einigung gilt aber als Voraussetzung für weitere EU-Hilfen. Am Montag rückt wieder die Griechenland-Troika an, die prüft, ob Athen die Spar- und Reformauflagen erfüllt. Nur wenn die Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds den Daumen heben, gibt es neue Kredite. Andernfalls droht die Staatspleite. Den Griechen stehen also schwierige Tage bevor, die über ihr Schicksal entscheiden. Westerwelles Besuch kommt da zum richtigen Zeitpunkt.

„Wir haben harte Opfer gebracht“

Das meint auch sein griechischer Kollege Dimas. Die Situation seines Landes sei sehr kritisch, klagt er. Die Griechen hätten strenge Einschnitte hinter sich. „Sie haben harte Opfer gebracht.“ Viele seien aber verzweifelt, weil sie den Eindruck hätten, dass diese Opfer umsonst seien. „Griechenland will atmen können und atmen dürfen“, fordert Dimas. Mehr Zeit und mehr Mittel brauche das Land dafür.

Hier hoffe man insbesondere auf Deutschland. Und er bedankt sich höflich für Westerwelles Zuspruch. Der Besuch des deutschen Chefdiplomaten sei ein gutes Signal, dass Griechenland in der Krise nicht allein dastehe.

Auch Merkel bemüht sich aus der Ferne um eine ermutigende Botschaft an die Griechen. Per Radiointerview lässt die Kanzlerin das südeuropäische Land wissen, dass sie es nicht verloren gibt. Ja, die Probleme seien gravierend, aber Fortschritte gemacht. Schon beim Antrittsbesuch des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti vor wenigen Tagen verteilte Merkel großzügig Lob für die Sparbemühungen des Landes.

Die Charmeoffensive dürfte in den kommenden Monaten weitergehen. Die Bundesregierung kann und wird von ihrer führenden Rolle in der Euro-Krise nicht abrücken. Auch die mahnenden und fordernden Worte werden nicht verschwinden. Aber die deutsche Seite dürfte auf einen vermittelnden Ton achten, erklären, versuchen, alle europäischen Partner mitzunehmen.

+++ Merkel und Sarkozy legen Strategie fest +++

Westerwelle hat sich zur Aufgabe gemacht, engen Kontakt gerade zu den besonders krisengebeutelten Staaten zu halten, sich zu kümmern, eine Entfremdung zu verhindern und Vorurteile gegenüber den Deutschen abzubauen. Letzteres mahnt er auch in Athen. Klischees dürften sich nicht festsetzen. Ein Klischee aber bleibt. Als Westerwelle das Abendessen mit Dimas pünktlich verlässt, um passend zum geplanten Abflug am Airport zu sein, schaut ihm der Grieche lächelnd nach und sagt: „Sehr deutsch.“

Schäuble: USA sind für Europa kein Vorbild

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble empfindet die Finanzpolitik der USA nicht als beispielhaft. Die amerikanische Lösung funktioniere in Europa ganz sicher nicht und sei daher kein Vorbild, sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in Berlin. Er bezog sich dabei vor allem darauf, dass die US-Notenbank bei Bedarf frisches Geld drucke. Dies helfe einem Staat für gewöhnlich nur eine gewisse Zeit lang.

Schäuble verwies zudem darauf, dass die USA sehr hohe Staatsschulden hätten und auch eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote.

Fraktionsvize Fuchs sieht deutsches AAA nicht in Gefahr

Der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs (CDU) sieht Deutschlands Toprating AAA nicht gefährdet. „Deutschland wird kein A verlieren. Die Situation für das Land ist ausgesprochen gut“, sagte Fuchs der „Rhein-Zeitung“ (Montagausgabe). Zum ersten Mal habe der Staat neue Schulden mit Negativzinsen aufgenommen - zahle also weniger zurück, als er geliehen habe. Das zeige das hohe Vertrauen der Finanzmärkte in Deutschland.

Hinter der Herabstufung der Euro-Länder zum jetzigen Zeitpunkt sieht Fuchs politisches Kalkül: „Das ist eine politisch motivierte Attacke auf den Euro.“ Kurzfristig könne man dagegen nichts machen. Langfristig müsse sich Europa aber eine eigene Ratingagentur aufbauen.

Merz fordert stärkere Kontrolle nationaler Haushalte durch die EU

Der frühere CDU-Finanzexperte Friedrich Merz fordert eine stärkere Kontrolle der Haushalte der EU-Mitgliedsländer. „Wir können nicht weiter Defizite anhäufen und dann verzweifelte Rettungsversuche starten“, sagte Merz beim Neujahrsempfang des Wirtschaftsrates der CDU am Sonntag in Hamburg. Die Haushalte sollten künftig nur mit Genehmigung der EU beschlossen werden können.

Erfahrungen in solchen Prozessen habe die Europäische Union durch die Prüfverfahren ihrer Beihilfen, etwa der Agrarsubventionen, bereits erworben, sagte Merz. Man habe es mit einer Staatsschuldenkrise zu tun, nicht etwa einer Eurokrise. Die Währung sei stabil.

Ein positiver Effekt ist laut Merz, dass die Krise das Problembewusstsein in der Bevölkerung hat steigen lassen. Es helfe allerdings nicht, nun mit dem Finger auf die stärker verschuldeten unter den Eurostaaten zu zeigen, sagte Merz. „Auch uns Deutschen steht es gut an, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen.“ Schließlich sei auch die Verschuldung Deutschlands höher, als es der 1992 geschlossene Vertrag von Maastricht erlaubt.

Merz lobte das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung durchgesetzte Reformkonzept Agenda 2010. „Wir profitieren noch heute von diesen Entscheidungen.“

Besorgt äußerte sich Merz mit Blick auf die USA. Sie seien politisch so tief gespalten „wie vielleicht seit dem Bürgerkrieg nicht mehr“. Das Problem zu hoher Staatsschulden sei zudem eine transatlantische Krise, die sowohl die USA als auch Europa betreffe. Davon profitierten nun aufstrebende Wirtschaftsmächte, allen voran China.

Friedrich Merz, Jahrgang 1955, war von 1994 bis 2009 Mitglied des Bundestages und von 2000 bis 2002 Unions-Fraktionschef. Mit Material von dpa, dapd, reuters