Der 56-jährige Sozialdemokrat Martin Schulz wurde mit absoluter Mehrheit zum neuen Vorsitzenden des Europaparlaments gewählt. Die beiden Gegenkandidaten, die britische Liberale Diana Wallis (141 Stimmen) und ihr konservativer Landsmann Nirj Deva (142 Stimmen), blieben chancenlos. Martin Schulz will sich unter anderem dafür einsetzen, dass das Europaparlament in den Verhandlungen zur Euro-Rettung und zu Finanzmarktreformen eine wichtigere Rolle erhält.
Straßburg. Der SPD-Politiker Martin Schulz ist wie erwartet zum neuen Präsidenten des Europaparlaments gewählt worden. Schulz erreichte am Dienstag in Straßburg im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen und ist damit der klare Sieger. 387 von 699 anwesenden Abgeordneten (55 Prozent) stimmten für den bisherige Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im EU-Parlament. Die Fraktion der Sozialdemokraten hat insgesamt 184 Mitglieder. Die beiden Gegenkandidaten, die britische Liberale Diana Wallis (141 Stimmen) und ihr konservativer Landsmann Nirj Deva (142 Stimmen), blieben chancenlos. Weil sich Schulz die Unterstützung der Europäischen Volkspartei, die mit dem Polen Jerzy Buzek den vorangegangenen Amtsinhaber stellte, gesichert hatte, galt sein Sieg als so gut wie sicher.
+++Martin Schulz: Der neue starke Mann in Straßburg+++
Der SPD-Mann will sich unter anderem dafür einsetzen, dass das EU-Parlament in den Verhandlungen zur Euro-Rettung und zu Finanzmarktreformen eine wichtigere Rolle erhält. „Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dem Parlament eine starke Stimme zu geben“, sagte der 56-Jährige, der als streitbar und debattierfreudig gilt, nach der Wahl. Dabei wandte er sich in aller Deutlichkeit an die EU-Regierungen: „Wer glaubt, man könne ein Mehr an Europa mit einem Weniger an Parlamentarismus schaffen, dem sage ich hier und jetzt den Kampf an.“ Er verwies zudem auf die anhaltenden Proteste gegen das Wirtschaftssystem: „Die jungen Leute protestieren auf den Straßen Europas gegen ein Wirtschaftssystem, in dem einige wenige die Gewinne einstreichen und die Verluste der Allgemeinheit aufgebürdet werden“, mahnte Schulz.
Die SPD-Bundestagsfraktion gratulierte Schulz zu seiner Wahl. „Es ist eine gute Nachricht, dass die EU an herausragender Stelle ein sozialdemokratisches Gesicht bekommt - auch als Gegengewicht zur konservativ-liberalen Mehrheit in Europa“, heißt es in einer Erklärung des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, und des europapolitischen Sprechers, Michael Roth, am Dienstag in Berlin. Beide seien davon überzeugt, dass Schulz als einer der profiliertesten Europapolitiker die Rolle des Parlamentes auch in Krisenzeiten stärken werde.
Schulz führt die Volksvertretung für die nächsten zweieinhalb Jahre bis zur Europawahl 2014. Das Amt des Präsidenten wird traditionell zwischen den zwei größten Fraktionen aufgeteilt. Der gelernte Buchhändler aus Eschweiler (Nordrhein-Westfalen) ist seit 1994 Mitglied des Europaparlaments und hat die Fraktion der Sozialdemokraten in den letzten sieben Jahre (seit Juli 2004) angeführt – wortgewaltig, konfliktfreudig und engagiert. Nun will er frischen Wind in die Europapolitik bringen und das Parlament aufwerten. Letzter deutscher Sozialdemokrat im Amt des Präsidenten war der Düsseldorfer Klaus Hänsch von 1994 bis 1997.
Mit Material von dpa/dapd/epd