Zentralbanken pumpen Milliarden in die Märkte. HWWI-Direktor Straubhaar sieht noch keine Weltwirtschaftskrise.

Hamburg/New York. Es war der schwärzeste Tag seit Beginn der US-Hypothekenkrise vor 14 Monaten: In New York musste gestern die traditionsreiche Investmentbank Lehman Brothers unter dem Druck von 630 Milliarden Dollar Schulden Konkurs anmelden. Die US-Regierung hatte es abgelehnt, die Bank zu stützen. Es ist eine der größten Insolvenzen in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte. Dem ebenfalls angeschlagenen Investmenthaus Merrill Lynch bleibt der Gang zum Konkursrichter erspart, dafür wird es für 50 Milliarden Dollar vom Konkurrenten Bank of America geschluckt.

Privatbanken, Zentralbanken und Regierung beiderseits des Atlantiks bemühen sich fieberhaft, der aufkommenden Panikstimmung an Finanzmärkten und Börsen entgegenzutreten. Doch schickten die Nachrichten von der Wall Street die Börsen weltweit auf Talfahrt. Der Deutsche Aktienindex (DAX) rutschte zeitweise unter die psychologisch wichtige Marke von 6000 Punkten. Am New Yorker Aktienmarkt sackte der Dow-Jones-Index der 30 führenden Industriewerte binnen weniger Minuten nach Handelsbeginn um über 300 Punkte oder 2,6 Prozent auf 11 121,88 Zähler ab. Die Börsen in London und Paris verloren über vier Prozent. Auch an den Börsenplätzen in Asien waren Verluste in diesem Bereich zu sehen.

Und schon droht den Finanzmärkten die nächste Hiobsbotschaft: Der weltgrößte Versicherungskonzern, die American International Group (AIG), kündigte eine "Neuordnung" seines Geschäfts an, nachdem die AIG-Aktie in den letzten Tagen um 45 Prozent eingebrochen war. Das "Wall Street Journal" berichtete, die Konzernführung wolle eine Finanzspritze in Höhe von 40 Milliarden - möglicherweise von der US-Notenbank. "Dass nun auch der Versicherer AIG ins Trudeln gerät, könnte bedeuten, dass die Krise auf diesen Bereich übergreift", sagt HSH-Chefvolkswirt Bernhard Blohm.

Die beiden wichtigsten Zentralbanken in Europa pumpten derweil insgesamt gut 36 Milliarden Euro frisches Kapital in die verunsicherten Finanzmärkte. 30 Milliarden Euro stellte die Europäische Zentralbank zur Verfügung, umgerechnet 6,4 Milliarden Euro die Bank of England in London.

Trotz der Krise drohe keine Weltwirtschaftskrise, sagte der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, dem Abendblatt: "Gerade aus deutscher Sicht ist jede Panik fehl am Platz." Allerdings habe sich die Gefahr verschärft, dass die USA in eine Rezession schlittern.