Kongress in Washington berät über neue Geldspritzen für Chrysler und GM. Deutsche Tochter alleine wettbewerbsfähig?

Hamburg. Auf diesen Termin richten sich die Hoffnungen einer ganzen Branche. Er wird die Zukunft der wichtigsten Industrie in Deutschland und in den USA prägen: Morgen entscheidet die US-Regierung über weitere staatliche Kredithilfen in Milliardenhöhe für die Opel-Mutter General Motors, die im Gegenzug dafür einen Sanierungsplan vorlegen muss. Ohne diese Hilfen droht in kürzester Zeit die Zahlungsunfähigkeit und der Verlust Hunderttausender Arbeitsplätze in den USA und Deutschland. Nicht nur GM, sondern auch Chrysler erbittet morgen weitere Milliarden, und das, obgleich beide Konzerne erst Ende vergangenen Jahres staatliche Kredite von insgesamt mehr als 17 Milliarden Dollar angenommen haben.

Offenbar hat diese Geldspritze aber nicht gereicht. GM steht trotz der bisher gewährten Kredite vor der Insolvenz, schreibt das "Wall Street Journal" unter Berufung auf informierte Personen und benötigt weitere fünf Milliarden Dollar.

Damit schrillen auch in Deutschland die Alarmglocken, denn hier arbeiten allein bei der GM-Tochter Opel rund 30 000 Beschäftigte. Das Schreckensszenario, einen der wichtigsten Arbeitgeber seines Landes zu verlieren, hat jetzt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers auf den Plan gerufen: Der CDU-Politiker will heute in Detroit mit dem Chef der Opel-Mutter General Motors (GM), Rick Wagoner, und dem Finanzvorstand des Ford-Konzerns, Lewis W.K. Booth, über Überlebensstrategien für die Konzerne sprechen. Auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch machte jüngst klar, dass das Treffen am 17. Februar über die Rettung von Opel entscheiden könne. Im hessischen Rüsselsheim liegt der Stammsitz Opels mit allein 16 000 Beschäftigten.

Um das deutsche Traditionsunternehmen, das 1929 von General Motors übernommen worden war, vor dem Abwärtssog der Mutter zu retten, hatten Bund und Länder bereits eine Bürgschaft zugesagt. Der Knackpunkt: Wie können die Staatshilfen, etwa 1,8 Milliarden Euro, mit denen sich Opel Zugang zu Krediten der Europäischen Investitionsbank verschaffen sollte, vor dem Zugriff der Amerikaner geschützt werden? Wie wird verhindert, dass das deutsche Geld zu nichts anderem dient als die Pleite wenige Tage hinauszuzögern?

Schließlich soll die Opel-Mutter General Motors trotz der bereits gewährten US-Hilfen erwägen, ein Konkursverfahren zu eröffnen. Der Plan: Es soll ein neues Unternehmen gebildet werden, in dem nur die gesunden Konzernbereiche verbleiben sollen. GM-Chef Wagoner hatte allerdings stets gewarnt, Autofahrer würden keine Fahrzeuge eines insolventen Unternehmens kaufen. Ein Konkurs würde also das endgültige Aus für den Autobauer bedeuten. Die US-Regierung wiederum befürchtet, das Ende eines großen Autoherstellers könnte mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze vernichten, weil auch Zulieferer getroffen wären.

"In der bisherigen Größe ist General Motors nicht mehr überlebensfähig", ist der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit dem Abendblatt überzeugt. Opel, die zuletzt gute Absatzzahlen meldeten, sei dies allerdings sehr wohl. "Opel kann auch alleine bestehen", schätzt der Direktor des Marktforschungsunternehmens CAR. Das Beispiel des französischen Autokonzerns PSA zeige, dass ein Autobauer alleine mithilfe von Kooperationen auch als kleinerer Anbieter wettbewerbsfähig sei. PSA hatte bei Peugeot mit BMW und Toyota zusammengearbeitet und so die Entwicklungs- und Produktionskosten reduziert.

Nach Meinung Dudenhöffers müsse Opel aus der Gruppe herausgelöst und die Aktionäre von General Motors dafür entschädigt werden. Dann stünde Opel mit der Hilfe der deutschen Bürgschaften vor einer neuen Zukunft. General Motors wäre dazu aber wohl nur im äußersten Notfall bereit, befürchtet Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Opel macht rund drei Viertel des Europageschäfts von GM aus. Die Region ist aber ausgerechnet der Bereich, in den das Unternehmen angesichts der Krise am Heimatmarkt in den USA große Hoffnungen setzt. Das Asien- und das schnell wachsende Lateinamerikageschäft kommen noch nicht an die in Europa erzielten Umsätze heran. "Ohne internationale Größe müsste GM aufgeben", sagte Pieper. Trotz aller Dringlichkeit erscheint eine Lösung der Probleme in den USA allerdings in immer weitere Ferne zu rücken: Obwohl die Abgabe der Restrukturierungspläne morgen bevorsteht, sind die nötigen Verhandlungen mit den Gewerkschaften bei General Motors und bei Chrysler offenbar in eine Sackgasse geraten. Der Grund seien Bedenken der United Auto Workers Union (UAW) wegen der Krankenversicherung pensionierter Mitarbeiter, sagten mit den Verhandlungen vertraute Personen am Wochenende.

Die Gespräche bei GM habe die UAW sogar abgebrochen. GM schuldet der Gewerkschaft rund 20 Milliarden Dollar, die der Konzern in einen Fonds für die Krankenversicherung ehemaliger Mitarbeiter einzahlen muss. Falls sich der Konzern nicht mit der UAW und Kreditgebern über eine Reduzierung der Außenstände einigen kann, droht dem neuen US-Präsidenten Barack Obama nach Ansicht vieler Experten eine äußerst schwierige Entscheidung: Weitere Milliarden-Hilfen oder die Opel-Mutter in die Pleite steuern. Dazu kommt auch noch die Notlage der Zulieferer: Sie fordern in den USA Hilfen von 18,5 Milliarden Dollar, weil sie von den Produktionsstopps der großen US-Hersteller betroffen sind.

Um überhaupt über die nächsten Monate zu kommen, hatte GM vergangenen Dienstag einen massiven Stellenabbau und Gehaltskürzungen angekündigt. Diesmal sind die Maßnahmen aber nicht auf das US-Geschäft begrenzt - weltweit will der Konzern 10 000 Arbeitsplätze abbauen.

In Deutschland soll ein "Zukunftssicherungsvertrag" zwischen Betriebsrat und Management betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen bis Ende 2010 verhindern. Allerdings will GM in Europa insgesamt 750 Millionen Dollar sparen - auch bei den Personalkosten. Dies dürfte neben einem möglichen Alleingang Opels das Thema sein, das NRW-Chef Rüttgers bei seinem Besuch in Detroit am meisten auf den Nägeln brennen wird.