Spanien muss nach Hilfsantrag höhere Renditen am Kapitalmarkt bieten - Marktgewinne verpuffen - Merkel: Hilfen für Spanien Zeichen der Handlungsfähigkeit Europas
Madrid. Spanien steht trotz des Hilferufs für seine maroden Banken in der Euro-Krise weiter voll in der Schusslinie. Die Investoren verlangten am Montag sogar höhere Renditen für die Anleihen des EU-Landes, das auch wegen seiner Schuldenprobleme im Visier der Finanzmärkte steht. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht die zugesagten EU-Hilfen für Spaniens Banken von bis zu 100 Milliarden Euro positiv: Sie seien „ein gutes Zeichen für Märkte und Partner, dass Europa handlungsfähig ist“. Die Gewinne an den internationalen Finanzmärkten als Reaktion auf den Hilferuf entpuppten sich als Strohfeuer. In Griechenland wurde der Ruf nach besseren Bedingungen für das eigene Milliarden-Paket laut. Für Italien wird der Schuldendienst immer teurer. Dennoch will das Land nicht als nächstes unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen.
+++ Wichtige Fragen und Antworten zu Hilfen durch den Rettungsfonds +++
+++ Spanien nimmt Hilfe für marode Banken an +++
Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn erklärte, die Eurogruppe habe sich am Samstag bewusst für eine hohe Summe an Hilfen entschieden, um keinerlei Zweifel über die Abwehrbereitschaft aufkommen zu lassen. Mit dem relativ großen Betrag sei das klamme Land für das allerschlimmste Szenario und den größten Stress im Bankensektor gewappnet. Allerdings werde der Regierung in Madrid zur Auflage gemacht, den Bankensektor umzubauen, damit die Institute der Realwirtschaft dienten statt sich wie in der Vergangenheit auf Spekulationen zu verlegen. Die EZB mahnte Spanien allerdings, seine Pläne zum Aufbau von Bad Banks zu überarbeiten, in die Geldhäuser ihre toxischen Vermögenswerte aus dem Immobiliensektor auslagern können. „Es bleibt unklar, ob das angestrebte Rahmenwerk ausreichend ist, um eine effiziente Trennung der Risiken der Banken zu erreichen“, kritisierten die Frankfurter Währungshüter.
Die Erleichterung an den Finanzmärkten über den Hilferuf Spaniens hielt nur kurz vor: Viele Anleger blieben am Montag skeptisch, ob die in Aussicht gestellten Finanzhilfen ausreichen, um die Schuldenkrise insgesamt in den Griff zu bekommen. Auch in China fiel die Reaktion eher verhalten aus: „Wir hoffen, dass diese Maßnahmen hilfreich sein werden, die Krise einzudämmen“, sagte Vize-Finanzminister Zhu Guangyao. Der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisierte das Vorgehen als „Voodoo-Ökonomie“. „Das System ist: Die spanische Regierung rettet die spanischen Banken, und die spanischen Banken retten die spanische Regierung“, sagte der Forscher im Reuters-Interview. Der belgische Zentralbankchef Luc Coene teilte vorsorglich mit, die Hilfen bedeuteten nicht, dass die EZB ihr umstrittenes Anleihen-Aufkauf-Programm wieder auflegen werde.
Standard & Poor's kündigte an, Spanien nach dem Hilfsgesuch nicht anders bewerten zu wollen. Fitch senkte dagegen das Rating für die Institute Banco Santander und BBVA. Der Schritt kam nach der Herabstufung Spaniens um gleich drei Stufen durch die Agentur in der vergangenen Woche nicht überraschend.
Das Geld für Spaniens Banken wird womöglich aus dem provisorischen Rettungsschirm EFSF statt aus dem Nachfolgefonds ESM fließen. Damit werde vermieden, dass private Geldgeber des spanischen Staates abgeschreckt würden von dem Umstand, dass der ESM ihnen gegenüber einen bevorzugten Gläubigerstatus habe, sagte ein EU-Vertreter in Brüssel. Woher die Hilfe für Spanien am Ende kommen wird, ließ die Bundesregierung am Montag offen. Dies hänge davon ab, wann Spanien den Antrag stellen werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Auflagen für die Hilfen seien in beiden Fällen dieselben. Der ESM soll ab dem 1. Juli handlungsfähig sein. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums ergänzte, er gehe davon aus, dass es auf den ESM hinauslaufe.
Ökonomen warnten allerdings davor, dass bei einer Auszahlung durch den ESM dessen Status als vorrangiger Gläubiger für Unsicherheit unter privaten Investoren sorgen könnte. Dies könnte dazu führen, dass spanische Anleihen weniger attraktiv würden und die Renditen noch weiter in die Höhe schnellten. Aus hochrangigen Kreisen der Euro-Zone verlautete, der Kredit für Spanien könne daher zunächst vom EFSF gewährt und später vom ESM übernommen werden. In Kreisen des EFSF hieß es, es werde damit gerechnet, dass Spanien weiter Garantiegeber des Rettungsfonds bleiben werde.
Spaniens Banken kämpfen nach dem Platzen einer Immobilienblase mit faulen Krediten in ihren Bilanzen. Das klamme Land kann sich selbst aber an den Kapitalmärkten nur noch zu hohen Zinsen frisches Geld besorgen. Mit dem Hilferuf an Brüssel erhoffte sich Spanien eine Linderung dieser Probleme - jedoch vergeblich: Die Kurse der zehnjährigen Papiere Spaniens rutschten nach einem kurzen Erholungsmoment wieder ab, im Gegenzug stiegen die Renditen. Ihre italienische Pendants rentierten in der Spitze ebenfalls wieder über der als längerfristig kaum tragbar geltenden Marke von sechs Prozent. (rtr)