Die Lehre aus der Spanien-Krise: Euro-Länder brauchen eine gemeinsame Politik
Spaniens Regierungschef musste lange mit sich ringen. Der Schritt, die Europäer um Finanzhilfen zu bitten, widerspricht eigentlich seinem Nationalstolz. Das Zugeständnis von Mariano Rajoy, nun doch Kredite aus dem europäischen Rettungsschirm von bis zu 100 Milliarden Euro in Anspruch zu nehmen, um die maroden Banken seines Landes zu retten, ist deshalb wichtig, notwendig und alternativlos. Seine Entscheidung setzt zugleich ein deutliches Signal an die Finanzmärkte, dass die Euro-Länder verantwortungsvoll handeln, ihre Mitglieder nicht im Stich lassen und mittlerweile auch die richtigen Instrumente geschaffen haben, um sogar die viertgrößte Volkswirtschaft in Europa vor einem finanziellen Ruin zu retten.
Grundsätzlich scheinen die Probleme Spaniens weniger gravierend als in den übrigen Krisenstaaten. Während Griechenland ein fundamentales Problem mit seinen Ausgaben hat, konzentrieren sich die Schwierigkeiten Spaniens vor allem auf die Banken. Die Geldinstitute haben zu Zeiten günstiger Zinsen einen Bauboom ausgelöst. Wie einst in den USA erhielten viele Häuslebauer Kredite, die sie sich eigentlich nicht leisten konnten. Immer mehr Spanier mussten deshalb ihre gekauften Häuser und Wohnungen wieder abstoßen.
Die Geldinstitute sitzen heute auf faulen Krediten in Milliardenhöhe und brauchen frisches Kapital. Die spanische Wirtschaft steckt wiederum nicht zuletzt durch das Platzen der Immobilienblase in einer Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit, verfügt aber durchaus über einen soliden Haushalt. Dennoch hat das Land das Vertrauen der Finanzinvestoren verloren. Der Staat kann sich am Markt nur noch für horrende Zinsen von mehr als sechs Prozent Geld leihen, was den Handlungsspielraum noch mehr einengen würde. Die Finanzhilfen durch den Euro-Rettungsschirm zu günstigeren Konditionen sind deshalb eine hilfreiche Medizin, müssen aber durch Strukturreformen des Bankenwesens ergänzt werden.
Der Fall Spanien offenbart generell zwei ungelöste Schwachstellen: Die Finanzmärkte führen auch nach dem Ausbruch der größten Finanzmarktkrise im Herbst 2008 ein oft unkalkulierbares Eigenleben. Einige Banken agieren immer noch nicht als verantwortungsvolle Diener der Wirtschaft, sondern handeln, getrieben von immer höheren Renditezielen, viel zu riskant. Sie werden im schlimmsten Fall von Staaten gerettet und werden damit zur teuren Belastung für alle Steuerzahler. Zudem haben sich die Euro-Länder längst von ihrem im Maastricht-Vertrag vereinbarten Gründungsprinzip verabschiedet, wonach jedes Land für seine Schulden geradezustehen hat. Stattdessen wandelt sich die Währungsgemeinschaft zunehmend zur Transferunion, in der alle für alle haften, ohne dass die Verträge geändert wurden. Wir sitzen längst alle in einem Boot. Dazu gehört, wie auf hoher See, dass im Notfall die Starken den Schwächeren helfen.
Trotz der aktuellen Schuldenkrise hat der Euro-Raum fast allen Ländern Vorteile gebracht, insbesondere auch die deutsche Exportkraft gestärkt. Jetzt wäre es an der Zeit, die Regeln im Euro-Raum der Realität anzupassen und einen der Geburtsfehler zu beheben: Eine Währungsunion kann eben doch nur funktionieren, wenn die Staaten auch politisch an einem Strang ziehen und abgestimmte, gemeinsame Ziele verfolgen. Die Pläne für einen gemeinsamen Fiskalpakt aller Mitglieder bis hin zu einer gemeinsamen Haushaltspolitik könnten hier ein hilfreicher Schritt sein.
Ein Auseinanderbrechen der Währungsgemeinschaft und ein Zurück zur Kleinstaaterei kann sich niemand ernsthaft wünschen. Vielmehr sollte sich Europa politisch und wirtschaftlich als Einheit stärken, um sich als Gegengewicht zu Asien und Nordamerika in der Globalisierung zu behaupten.