Auch wenn die EU das Strafverfahren einstellt, gibt es für Berlin weitere Hausaufgaben. Im Bankensektor gibt es großen Handlungsbedarf.

Brüssel. Das Strafverfahren gegen Deutschland wegen eines überhöhten Defizits will die EU-Kommission einstellen. Das sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung war das Haushaltsdefizit Deutschlands zuletzt gesunken. Die EU-Kommission erwartet für 2012 ein Wachstum der Wirtschaft von 0,7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit werde 5,5 Prozent erreichen. „Deutschlands öffentliche Finanzen verbessern sich weiter“, schreibt die EU-Kommission.

Nach 1,0 Prozent 2011 will die Bundesregierung das Defizit im laufenden Jahr auf rund 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung senken – und damit die vorgeschriebene Obergrenze von 3,0 Prozent klar einhalten. Barroso kündigte an, die EU-Kommission werde eine entsprechende Empfehlung an die EU-Finanzminister geben, die darüber entscheiden. Neben Deutschland solle auch das Verfahren gegen Bulgarien enden.

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Strafprozeduren, bei denen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen für Euro-Ländern drohen, laufen derzeit gegen 23 EU-Staaten. Damit will Brüssel die Staaten zum Schuldenabbau zwingen. Das Verfahren gegen Defizitsünder Deutschland lief seit 2009. Bereits 2003 gab es ebenfalls ein Strafverfahren gegen Berlin, das 2007 wegen guter Führung geschlossen wurde.

Deutschland muss Bankensektor stabiler machen

Dafür muss Deutschland aber nach Einschätzung der EU-Kommission seinen Bankensektor stabiler machen und die Landesbanken sanieren. „Den Landesbanken fehlt ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell“, heißt es in den Wirtschafts- und Haushaltsempfehlungen für die Mitgliedsländer, die die EU-Behörde am Mittwoch in Brüssel vorstellte. Die Mahnung an die Bundesregierung lautet: „Die Reformenanstrengungen müssen weitergehen". Als Optionen für den Umbau schlägt die EU-Kommission vor, die Landesbanken zu schrumpfen, ihre Zahl zu verringern und zu überdenken, ob öffentliche Eigentümerschaft wirklich notwendig sei.

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Der Banken- und Finanzsektor könnte ein Loch in die öffentlichen Kassen reißen, warnt Brüssel: „Es könnten neue Risiken für den Haushalt auftauchen, falls weitere Schritte zur Stabilisierung des Finanzsektors notwendig würden.“ Insbesondere der Umbau der WestLB könnte die Verschuldung 2012 erhöhen.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 ist der Umbau der Landesbanken, die häufig mit riskanten Geschäften in die Krise gerieten, ein heißes Thema. Unter dem Druck der EU-Kommission wurde die WestLB – einst das Flaggschiff der deutschen Landesbanken - zerschlagen. Brüssel prüft immer noch die Rettung der BayernLB.

Die EU-Behörde gibt der Bundesregierung weitere Hausaufgaben auf. So macht sich die Kommission wegen der alternden Bevölkerung Sorgen über mögliche Engpässe auf dem Arbeitsmarkt. Deutschland müsse seinen Arbeitsmarkt öffnen, damit Frauen, weniger gut ausgebildete Beschäftigte und Nicht-EU-Bürger leichter einen Job finden könnten. Das Schul- und Bildungssystem müsse benachteiligte Gruppen fördern. Die EU-Kommission bemängelt fehlenden Wettbewerb in einigen Dienstleistungssektoren und vor allem bei der Bahn. „Den Plänen Deutschlands fehlt es in einigen Bereichen an Ehrgeiz, um die Herausforderungen anzugehen“, so das Urteil.

Den Umbau des Energiesektors – inklusive Atomausstieg – bewertet die EU-Kommission grundsätzlich positiv, weil er Gelegenheit für weiteres Wachstum biete. „Dies beinhaltet aber auch Herausforderungen in punkto höhere Kosten und mögliche Kapazitätsengpässe“, warnt die EU-Kommission.

Das geplante Betreuungsgeld sieht Brüssel kritisch : Es setze keinen Anreiz für Mütter, bald wieder arbeiten zu gehen und stehe somit der Integration von Frauen am Arbeitsmarkt entgegen. Das Risiko bestehe, dass insbesondere Kinder aus benachteiligten Schichten in den ersten Lebensjahren keine Krippen oder Kindergärten besuchten und zu spät mit der Ausbildung starteten. (dpa/abendblatt.de)