EU-Kommission lässt Spanien mehr Luft zum Sparen. Frankreich muss “Haushaltsstrategie verstärken“. Hausaufgaben auch für Deutschland.

Brüssel. Die krisengeschüttelten Spanier erhalten mehr Luft zum Sparen: Die EU-Kommission empfahl am Mittwoch, Madrid ein Jahr länger Zeit bis 2014 zu lassen, um das Defizit unter die erlaubten drei Prozent zu drücken. Voraussetzung sei aber, dass die Regierung die Ausgaben der Regionen deckele und zügig einen Haushaltsplan mit weiteren Sparmaßnahmen für die kommenden zwei Jahre vorlege, sagte Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel.

Dort stellte er die sogenannten länderspezifischen Empfehlungen vor. Das sind Ratschläge, wie die Mitgliedsstaaten ihre Finanzen in Ordnung bringen und ihre Wirtschaften wieder fit machen sollen, damit sich die gegenwärtige Krise niemals wiederholt. Beschlossen werden müssen die Programme auf dem EU-Gipfel im Juni.

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Während Rehn die Zügel für Spanien lockern will, zog er sie für Frankreich an: Die neue Regierung müsse rasch "effektive Maßnahmen“ auf den Weg bringen, um seine Haushaltsverpflichtungen zu erfüllen, las Rehn dem neuen Staatschef François Hollande die Leviten. Ansonsten drohe das Land sein Ziel zu verfehlen, die zulässigen drei Prozent im kommenden Jahr wieder einzuhalten. Und das würde das Vertrauen der Investoren nicht stärken.

Rehn will nicht über Spanien-Rettung spekulieren

Im Falle Spaniens lägen die Dinge anders, rechtfertigte Rehn die empfohlene Fristverschiebung. Notwendig sei die Sonderbehandlung für Madrid, weil es das einzige Land sei, für dessen Wirtschaft in diesem und dem nächsten Jahr eine Rezession vorausgesagt werde. Das Land sollte eigentlich sein Defizit im kommenden Jahr wieder unter drei Prozent drücken, andernfalls hätten Sanktionen gedroht. Der Wirtschaftseinbruch aber erschwere den Weg, obwohl ein solider Sparkurs eingeschlagen worden sei. Bei einer aktuellen Neuverschuldung von 6,4 Prozent wäre das Drei-Prozent-Ziel nur durch weitere drastische Kürzungen möglich, die der Konjunktur den Rest geben würden.

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Verschärft wird die Lage in Spanien durch das marode Bankensystem. Das Institut Bankia bat Madrid erst am Freitag um weitere 19 Milliarden Euro Hilfe, was die Neuverschuldung weiter in die Höhe treibt. Wegen der gewaltigen Probleme sind die Renditen für spanische Staatsanleihen auf ein Rekordniveau geklettert – am Montag auf 6,51 Prozent. Das gilt als dauerhaft nicht tragbar. Ob das Land deswegen unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen sollte, ließ Rehn am Mittwoch offen. Es sei zu früh, darüber zu spekulieren. Madrid habe noch nicht entschieden, wie genau es die Bankenrettung finanzieren werde.

Mit Blick auf Spanien forderte die Kommission am Mittwoch zwar dazu auf, eine direkte Bankenhilfe aus den Rettungsfonds zu ermöglichen – wodurch den Regierungen harte Reformprogramme erspart blieben. Genau danach ruft die spanische Regierung. Doch Berlin ist strikt dagegen. Und Rehn betonte – anders als sein Chef José Manuel Barroso – die direkte Hilfe sei im künftigen Fonds ESM nicht vorgesehen. Und anstelle den Vertrag hastig zu ergänzen, sei zunächst seine Ratifizierung notwendig.

"Absolut machbar“

Zwar erteilte Brüssel auch anderen Ländern neue Hausaufgaben, um ihre Wirtschaften in Schwung zu bringen. Doch seien etwa die Sorgenkinder Italien, Portugal, Irland und die Niederlande auf dem richtigen Konsolidierungsweg, heißt es im Kommissionszeugnis. Nicht aber Frankreich: Von Hollande wird eine "Verstärkung der Haushaltsstrategie“ verlangt. Das ist auch ein Nasenstüber für Hollande-Vorgänger Nicolas Sarkozy.

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Die Einhaltung der Sparvorgaben sei "absolut machbar“, erklärte Rehn, und entzog so Rufen nach einer Fristverlängerung wie im Falle Spaniens den Boden. Laut Berechnungen seiner Experten liegt das Pariser Defizit 2012 bei 4,5 Prozent, und ohne Strategiewechsel bliebe 2013 noch ein Minus von 4,2 Prozent. Bei einer Neuverschuldung oberhalb von drei Prozent drohen Frankreich Sanktionen.

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Damit muss Deutschland nicht rechnen. Berlin hat seine Sparhausaufgaben weitgehend erfüllt – mit einer Neuverschuldung von 0,9 Prozent in diesem und 0,7 Prozent im kommenden Jahr. Das Defizitverfahren wurde eingestellt. Dennoch gab Brüssel der Bundesregierung wieder zahlreiche Hausaufgaben auf. So müsse mehr und effizienter in Bildung und Erziehung investiert werden. Zudem müsse das Ehegattensplittung abgeschafft werden, um Zweitverdienern mehr Anreize zum Arbeiten zu geben, auch müsse das Angebot an Kindertagesstätten ausgebaut werden. Die meisten dieser Ratschläge hat die Kommission allerdings schon vor einem Jahr an Berlin gerichtet. Besonders zu Herzen genommen hat sie sich die Regierung nicht.

(dapd)