Trotz leicht rückläufiger Arbeitslosenrate und guter Konjunkturzeichen sieht Ben Bernanke die USA in einer kritischen Lage.
Der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Ben Bernanke, gab seinen Zuhörern Zuckerbrot und Peitsche. Ja, es gäbe hoffnungsfrohe Signale für die US-Wirtschaft. Die Verbraucher gäben wieder mehr Geld aus und auch die Banken meldeten eine steigende Kreditnachfrage. Doch dann sprach Bernanke mit der Verschuldung das Thema an, auf das derzeit am Ende jede politische Auseinandersetzung in den USA hinausläuft, ganz egal ob es zuvor ums Gesundheitssystem, Steuern oder den Afghanistankrieg ging. Es sei nicht wahrscheinlich, aber man solle damit auch nicht „herumspielen“, dass die USA wegen der Schuldengrenze ihre Kredite möglicherweise nicht mehr bedienen könnten, so Bernanke. Er warnte damit indirekt vor einem Staatsbankrott. „Die Folgen für unser Finanzsystem, für die Finanzpolitik und die Wirtschaft wären katastrophal,“ sagte der Notenbankchef.
Dabei geht es hier im Grunde um ein jährlich wieder kehrendes Phänomen. Es gibt eine offizielle Schuldengrenze für den öffentlichen Haushalt. Doch da die regelmäßig gerissen wird, kommt es Anfang des Jahres zu einem Kampf zwi-schen Kongress und Präsident. Die Abgeordneten drohen damit, ihn auflaufen zu lassen. In diesem Jahr ist die Lage besonders verfahren, da die Republikaner den Umgang mit den Staatsfinanzen zu ihrem großen Wahlkampfthema gemacht haben. Bis zu 14,3 Billionen Dollar (10,4 Billionen Euro) dürfen sich die USA verschulden. Anfang Januar warnte Finanzminister Timothy Geithner bereits davor, dass dies spätestens im Mai ausgereizt sein könnte.
Dazu dürfe es nicht kommen, so Bernanke, und forderte den Kongress auf, die Schuldengrenze anzuheben. Seine Worte dürften auf die Republikaner nicht nur deswegen Eindruck machen, weil er der Chef der amerikanischen Notenbank ist. Bernanke wurde ursprünglich von Präsident Barack Obamas Vorgänger George W. Bush ins Amt geholt, und müsste aus diesem Grund erst Recht ihr Vertrauen genießen. Bislang hatte er sich aus dem Zank zwischen Demokraten und Republikanern herausgehalten. Doch nachdem einige seiner Parteifreunde die Debatte um die Schuldengrenze als Druckmittel verwendet hatten, um Präsident Obama zu Ausgabenkürzungen zu zwingen, griff Bernanke ein.
Natürlich sieht auch er keine Alternative zu einem straffen Sparkurs der Regierung. Sollte die Politik das Haushaltsdefizit und die Staatsschuld nicht auf Dauer in den Griff bekommen, werde irgendwann eine Situation eintreten, in der die Investoren an den Finanzmärkten den USA kein Geld mehr leihen würden, sagte Bernanke. Wegen der Konjunkturprogramme und Rettungsaktionen im Zuge der Finanzkrise liegt das Etatdefizit bereits bei neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Noch wenige Jahre vor Ausbruch der Krise betrug es lediglich um die zwei Prozent. Dennoch betonte Bernanke, dass man die Debatte über Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen nicht mit der über die Schuldengrenze vermischen dürfe, um die Finanzmärkte nicht zu beunruhigen.
Bernanke warnt vor zu viel Optimismus
Zudem warnte er davor, die etwas besseren Konjunktursignale überzubewerten. Vor allem die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibe ein Problem. Dies wurde durch die aktuellen Zahlen für Januar bestätigt. Zwar fiel die Arbeitslosenquote von 9,4 auf neun Prozent. Auch hatten sich zuletzt weniger Menschen arbeitslos gemeldet als in den Wochen zuvor. Doch der Stellenaufbau war im Januar äußerst schwach. Nur 36.000 neue Beschäftigte verzeichnete die größte Volkswirtschaft der Welt zum Jahresanfang. Analysten hatten im Schnitt mit einem Zuwachs um 145.000 gerechnet. Ein Grund dürfte das kalte und schneefallreiche Winterwetter gewesen sein, dass das öffentliche Leben teilweise lahm gelegt hatte. Bis die Arbeitslosenquote wieder auf normales Niveau gesunken sei, werde es noch mehrere Jahre dauern, sagte Bernanke.
Er wies außerdem Befürchtungen zurück, dass die zuletzt kräftig gestiegenen Lebensmittelpreisen das Preisniveau gefährden. „Die Inflation bleibt insgesamt ziemlich niedrig“, sagte Bernanke. Kritiker werfen der Fed allerdings vor, dass sie die Erholung der US-Wirtschaft bewusst herunterspiele und die wachsenden Inflationsrisiken ignoriere. Bernankes Äußerungen deuteten darauf hin, dass sich die Fed vorerst keine Sorgen um die Inflation macht und daher ihre Niedrigzinspolitik samt aller unkonventionellen geldpoliti-schen Maßnahmen noch länger fortsetzen wird. Durch ihre Ankäufe von US-Staatsanleihen versucht die Fed, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Sie wurde dadurch vor kurzem sogar zum größten Eigentümer von US-Staatsanleihen und damit vor China zum größter Gläubiger des eigenen Landes.
Vielleicht lassen die Republikaner Präsident Obama trotz der Warnungen Bernankes noch ein wenig zappeln. Doch am Ende dürften sie einlenken und einer Anhebung der Schuldengrenze zustimmen. Schließlich haben sie in einer ähnlichen Situation schon einmal ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht. 1995 wollten sie den damaligen Präsident Bill Clinton zwingen, staatliche Programme abzuschaffen und einen Teil der Zahlungen zu stoppen. Doch damit konnten sie bei den Wählern nicht punkten. Diese wählten Clinton im Jahr darauf erneut ins Weiße Haus. Und nur ein paar Jahre später legte dieser gestützt von der guten wirtschaftlichen Entwicklung einen ausgeglichenen Haushalt vor.