Unternehmen wie BP müssen auf die Förderung tief unter dem Meeresboden setzen. Die nächste Katastrophe ist vorprogrammiert.
Hamburg. Den grünsten Ölkonzern der Welt wollte er schaffen, ein Unternehmen, das ein Vorbild sei für den Übergang vom fossilen ins solare Energiezeitalter. "Beyond petroleum", jenseits des Öls, bedeute das Konzernkürzel BP künftig, erläuterte John Browne zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts den Imagewechsel von British Petroleum, einem der drei größten privatwirtschaftlichen Ölkonzerne der Welt. Selten ist ein Konzern mit einem solchen Anliegen so brutal gescheitert wie BP nun im Golf von Mexiko.
Zunächst gelang es Browne jedoch, BP das beste Image der Branche zu verpassen. Der Konzern führte Ende der 90er-Jahre versuchsweise ein Modell zum Handel mit Verschmutzungsrechten für Treibhausgase ein. Es diente später der Europäischen Union als Vorbild für deren Emissionsrechtehandel. BP erkaufte sich eine der weltweit führenden Positionen bei der Produktion von Solarstromanlagen und stieg in die Vermarktung von Biosprit ein. Mehr als einmal wurde Browne zum angesehensten Manager Großbritanniens gewählt.
BP - vom Vorzeigeunternehmen zum Katastrophenkonzern
Alle Investitionen des Konzerns in eine ökologisch weniger riskante Zukunft aber waren nur Makulatur, verglichen mit dem Schaden, den das BP-Subunternehmen Transocean nun mit dem Leck einer Ölquelle im Golf von Mexiko angerichtet hat. Schon 2005 drohten Milliardeninvestitionen des Konzerns im Golf zu versinken: Nach dem Wirbelsturm "Katrina" wurde die neue Plattform "Thunder Horse" von BP nur knapp vor dem Kentern bewahrt. Die Explosion einer Raffinerie in Texas City und Pipelinebrüche in Alaska hatten das Öko-Image von BP in den USA schon damals ruiniert.
Ein "grüner" Konzern war BP tatsächlich nie, weder unter Browne noch - seit 2007 - unter dessen Nachfolger Tony Hayward. Das Unternehmen folgt der gleichen Logik wie seine Konkurrenten: Wer nicht ständig seine Öl- und Erdgasreserven ausbaut, wer geförderte Vorräte nicht immer wieder mindestens in der gleichen Menge durch neue Bestände ersetzen kann, der gerät ins Hintertreffen - der verliert an den Kapitalmärkten oder bei der Rekrutierung der besten Kräfte für das Unternehmen.
An das billige Öl und Gas kommen fast nur noch Staatskonzerne heran
Die Erschließung und Ausbeutung von Öl und Gas tief unter dem Meer, die sogenannte Offshore-Förderung, wird dabei für privatwirtschaftliche Konzerne wie BP immer wichtiger. "An die großen Fördergebiete, in denen relativ leicht zu erschließendes Öl und Gas liegt, kommen die privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht mehr heran", sagt der Geologe Hilmar Rempel von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Rund drei Viertel der Weltölreserven und rund 70 Prozent der Erdgasreserven liegen laut BGR in der "strategischen Ellipse" zwischen dem russischen Nordmeer und dem Persischen Golf. In dieser Region aber - in den arabischen Staaten, im Iran und in früheren Sowjetrepubliken - kontrollieren Staatskonzerne oder staatlich beherrschte Unternehmen das Geschäft.
Privatwirtschaftliche Konzerne wie Exxon, BP, Shell oder Texaco dringen deshalb immer weiter in die tieferen Meeresregionen hinein: im Golf von Mexiko, vor Westafrika, Brasilien oder Australien, aber auch in der Nordsee und im Nordmeer. Die technologischen Leistungen, die dafür erbracht werden, sind imposant: Im Golf von Mexiko oder vor Brasilien erreichen die Bohrgestänge teils erst nach 3000 Metern den Meeresgrund. Von dort aus geht es noch einmal kilometerweit ins Erdinnere hinein, geleitet von dreidimensionalen Analysetechniken. Die Unternehmen holen alles aus dem Boden heraus, was sich mit Gewinn verkaufen lässt, denn die Ölwirtschaft befindet sich in einer Art Endspurt: "Wenn man alle Faktoren der Ölgewinnung einbezieht, hat die weltweite Förderung ihren Höhepunkt zwischen 2030 und 2035 überschritten", sagt BGR-Geologe Rempel. "Beim relativ leicht zu fördernden ,konventionellen' Öl wird dieser Zeitpunkt wesentlich früher erreicht sein."
Die Nordsee ist eines der wichtigsten Offshore-Fördergebiete der Welt
Eines der am stärksten erschlossenen Öl- und Gasfördergebiete der Welt ist die Nordsee. Seit der Erschließung des norwegischen Ekofisk-Feldes Anfang der 70er-Jahre hat die Branche dort Hunderte Installationen errichtet - und sie zieht immer weiter, Richtung Nordmeer und Richtung Atlantik. "Die Vorräte im südlichen Teil der Nordsee sind praktisch ausgefördert, längst arbeiten sich Konzerne wie BP westlich der Shetlandinseln und in Richtung Barentssee vor", sagt der Greenpeace-Ölexperte Christian Bussau. "Je tiefer und je nördlicher nach Öl und Gas gebohrt wird, desto teurer, vor allem aber desto riskanter ist das auch für die Umwelt."
Vor 15 Jahren verhinderte Greenpeace in der Nordsee die Versenkung des Öltanks "Brent Spar" von Shell und Exxon. Später dokumentierte die Umweltorganisation in der Region immer wieder die Verschmutzungen des Meeresbodens, die allein schon durch den normalen Förderbetrieb der Plattformen verursacht werden. Und auch das Risiko einer Katastrophe lauere in der Nordsee jederzeit, sagt Bussau: "Was im Golf von Mexiko geschieht, ist nicht das letzte Kapitel dieser Geschichte."