Eine 113 Tonnen schwere und 12 Meter hohe Stahlkuppel soll in den nächsten beiden Tagen über das sprudelnde Bohrloch gestülpt werden.
New Orleans/Washington. Im Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko ist eine beispiellose Aktion angelaufen: In Louisiana brach am Mittwoch ein Schiff mit einer 113 Tonnen schweren und 12 Meter hohen Stahlkuppel auf – sie soll in den nächsten beiden Tagen über das sprudelnde Bohrloch in 1500 Metern Tiefe gestülpt werden. Knapp zwei Wochen nach dem Untergang der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ gab es außerdem bereits einen kleinen Fortschritt vor der US-Südküste: Dem BP-Konzern gelang es, das kleinste der drei Lecks am Meeresboden zu schließen.
BP will das aufgefangene Öl dann auf ein Bohrschiff leiten. Der Konzern hofft, dass das komplizierte System innerhalb von sechs Tagen einsatzbereit ist. Eine solche Aktion in dieser Tiefe gab es bislang noch nie.
BP-Manager Doug Suttles sagte, es könne angesichts der Schwierigkeiten zunächst „frustrierend“ werden. Aber: „Ich bin überzeugt, dass wir sie (die Kuppel) zum Funktionieren bringen.“ Klappt das Manöver, will der Ölkonzern eine zweite solche Vorrichtung einsetzen, um das andere Leck abzudichten. Politischer Druck auf BP
Inzwischen werden in Washington die Rufe lauter, BP nicht nur für die Reinigungsarbeiten, sondern auch für die erwarteten Schäden in Natur und Wirtschaft in vollem Umfang zur Kasse zu bitten. Zwei demokratische Senatoren im Kongress wollen erreichen, dass eine gesetzliche Obergrenze für derartige Schadensersatzleistungen von 75 Millionen Dollar auf zehn Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro) erhöht wird.
Nach Medienberichten findet ihr Vorstoß immer mehr Unterstützung. Der Kommunikationsdirektor im Weißen Haus, Dan Pfeiffer, sagte in einem Blog, dass auch Präsident Barack Obama eine deutliche Anhebung unterstütze. BP-Chef Tony Hayward hatte versichert, dass der Konzern „legitime“ Ansprüche befriedigen werde.
Das Leck, das ein Unterwasserroboter mit einem Ventil schließen konnte, ist eines von drei, aus denen seit nunmehr fast zwei Wochen täglich mindestens 700 Tonnen Rohöl ins Wasser fließen. Bereits am Dienstag hatte Suttles deutlich gemacht, dass sich der Ölaustritt kaum verringern werde, wenn nur das kleinste Leck abgedichtet werde.
Das Wetter spielt weiter mit: Günstige Winde halten den Ölteppich weiter vom Festland fern, die Einsatzleiter erwarten, dass das mindestens bis zum Wochenende so bleibt. Damit erhalten die etwa 7500 Einsatzkräfte mehr Zeit, um die Säuberungsarbeiten und Schutzmaßnahmen für die Küstenregion voranzutreiben. So wurde auch am Mittwoch daran gearbeitet, schwimmende Barrieren auszulegen und Öl abzuschöpfen. Hoffnungen ruhen auf Stahlkuppel
Die Hoffnungen konzentrieren sich jedoch auf die rund 113 Tonnen schwere Stahlkuppel: Sie könnte, wenn alles klappt, nach Expertenangaben den Ölfluss zu 80 Prozent stoppen – so lange, bis das endgültige Abdichten der Lecks gelungen ist. Nach Absetzen des Behälters in 1500 Metern Tiefe müssen noch Leitungen von der Konstruktion zu einem Bohrschiff gelegt werden.
Schwierig ist das Manöver schon allein wegen der Meeresströmungen. Kurt Reinicke vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der TU Clausthal sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Die Umweltbelastung wird abgestellt, Sie gewinnen Zeit (...) Aber das Problem ist natürlich nicht gelöst. Das ist es erst, wenn die Bohrung unter Kontrolle ist. In die Kuppel tritt ja weiter unkontrolliert Öl aus.“
Reinicke erklärte weiter, bevor die zwölf Meter hohe Konstruktion platziert werden könne, werde BP versuchen, ein neues Absperrventil über dem Bohrlochkopf anzubringen. Dazu müssten Leitungen kurz oberhalb des Kopfes gekappt werden. „Damit wird der Querschnitt der Bohrung geöffnet. Klappt es (das Ventil anzubringen), wäre die Bohrung unter Kontrolle, klappt es nicht, wird mehr Öl ausströmen, weil Fließwiderstände beseitigt wurden.“
Am 22. April war die Bohrinsel gesunken, die BP von der Firma Transocean geleast hatte. Es kursieren unterschiedliche Angaben, wie viel Öl im schlimmsten Fall noch austreten kann. Am Dienstag informierten Vertreter von BP und Transocean US-Kongressmitglieder hinter verschlossenen Türen über das Ausmaß des Unglücks. Nach Medienberichten gab ein BP-Manager dabei als schlimmstes mögliches Szenario den täglichen Austritt von 60000 Barrel Rohöl an. Das wäre mehr als zehnmal so viel wie jetzt. Suttles sagte am Mittwoch dem Sender CNN, dass dieses Szenario aber unwahrscheinlich sei. 60000 Barrel entsprechen mehr als 8000 Tonnen.