Deutschlands höchste Richter sind schwer genervt. 2200 Euro Strafe für Verfassungsbeschwerde, weil ein Anwalt unbedingt Recht haben wollte.
Hamburg. Wie geht's? Ich kann nicht klagen. Was sich als Floskel selbst im 500-Wörter-Vokabular eines mundfaulen Ehegatten etabliert hat, ist das Ende jeder Kommunikation unter Juristen. Kann nicht klagen? Wohl verrückt geworden. Zug zu spät? Kaffee zu heiß? Zu kalt? Menschenrecht auf Demonstrieren von bösen Polizisten eingeschränkt? Ab vors Bundesverfassungsgericht!
3061 Verfassungsbeschwerden sind im vergangenen Jahr bei den Rotroben angekommen. Zu diesem Rekord gesellten sich 3500 weitere Verfahren. Erfolgsquote der Beschwerden, weil das Grundgesetz angeblich gebrochen wurde: 2,4 Prozent.
Und wo gibt's in Deutschland den meisten Ärger? Im Verkehr. Das kann die zwischenmenschlichen Beziehungen betreffen oder das rasante Verhalten des homo mercedesbenz auf den gut ausgebauten Straßen.
Alle sechsspurigen Wege führen nach Karlsruhe. Das wusste auch ein Anwalt, der die höchsten Richter mächtig nervte. Für zwei Monate sollte er seinen Führerschein abgeben und 175 Euro Buße für ein Verkehrsdelikt zahlen. Das war ihm eine 1182 Seiten starke Verfassungsbeschwerde wert. Die Verfassungsrichter lasen die Klage mit Akribie und stellten fest: Der Anwalt und seine Klage erfüllten nicht die "Mindestanforderungen an eine substantiierte Begründung" (Az. 2 BvR 1354/10). Zum Klagen zu blöd, würde der Volksmund sagen.
Die Richter wüteten geradezu in ihrer Begründung: Das Bundesverfassungsgericht müsse es nicht hinnehmen, "dass seine Arbeitskapazität durch derart sinn- und substanzlose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dass es dadurch den Bürgern den Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann". 2200 Euro an Missbrauchsgebühren müssen der Anwalt und sein Anwalt nun zahlen.
Karlsruhe ist Anwalts Liebling? Das war mal. Auf den Fluren des höchsten Gerichts erzählt man sich diesen Witz aus dem Film "Philadelphia": Was sind 1000 Anwälte, zusammengekettet auf dem Meeresboden? Ein guter Anfang.