Die Gerichtspsychiater haben den Massenmörder von Norwegen für unzurechnungsfähig erklärt. Breivik reagierte auf das Gutachten gekränkt.
Oslo. Der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik ist nach Überzeugung von zwei Rechtspsychiatern wegen „paranoider Schizophrenie“ nicht zurechnungsfähig. Außerdem stuften sie den Rechtsradikalen sowohl für den Tag der Ermordung von 77 Menschen am 22. Juli wie auch danach als „psychotisch“ ein. Das gab die Staatsanwaltschaft am Dienstag aus dem Gutachten in Oslo bekannt. Wenn die Einstufung durch die Psychiater vom Gericht für das Verfahren ab kommenden April übernommen wird, kann der 32-Jährige nicht zu Haft verurteilt, sondern nur in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen werden.
+++Massenmörder Breivik ist unzurechnungsfähig+++
+++ Anders Behring Breivik bittet um seelischen Beistand +++
Breivik fühlt sich durch das Gutachtens „gekränkt“. Der 32-Jährige habe mit einer entsprechenden Erklärung nach der Veröffentlichung reagiert, sagte ein Polizeisprecher am Dienstagabend dem Rundfunksender NRK. Breivik habe nicht akzeptieren wollen, dass er wegen einer Psychose zum Tatzeitpunkt und danach als unzurechnungsfähig eingestuft worden sei, sagte der Polizeianwalt Christian Hatlo weiter. Breivik begründet sein Verbrechen mit Hass auf Zuwanderer aus islamischen Ländern und auf die norwegischen Befürworter einer multikulturellen Gesellschaft. Mehrere Hinterbliebene seiner Opfer sowie Überlebende der Anschläge äußerten sich in Osloer Medien enttäuscht, weil Breivik wahrscheinlich strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Sie verwiesen darauf, dass er seine Tat jahrelang systematisch vorbereitet habe.
Als Sprecher der landesweiten Hinterbliebenen-Gruppe sagte Trond Blattmann, dessen 17-jährigen Sohn Trojus Breivik auf der Insel Utøya getötet hatte: „Wir möchten vor allem Sicherheit, dass er wegen dieser Entscheidung der Gutachter nicht früher entlassen wird. Als direkt Betroffene wünschen wir nicht, dass er noch mehr Schaden in der Gesellschaft anrichten kann.“
Der zuständige Staatsanwalt Svein Holden gab an, dass Breivik nach Meinung der Psychiater komplett von „bizarren und größenwahnsinnigen (“grandiosen“) Zwangsvorstellungen“ beherrscht sei. „Danach kann er nach eigener Auffassung entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss“, berichtete Holden weiter aus dem 243 Seiten umfassenden Gutachten.
Holden sagte, die Rechtspsychiater hätten ihn als jemanden geschildert, „der sich für den perfektesten Ritter seit dem Zweiten Weltkrieg hält“. Breivik habe in den 13 Gesprächen von insgesamt 36 Stunden Dauer auch vermittelt, dass er sich für einen „zukünftigen Regenten“ halte. Er habe außerdem menschliche „Zuchtprojekte mit Norwegern in Reservaten“ angekündigt.
Breivik hatte sein Verbrechen jahrelang in allen Einzelheiten vorbereitet. Wegen der genau durchdachten Planung einschließlich der Begründung in einem 1500 Seiten langen „Manifest“ sowie der präzisen Erinnerung des Täters danach hatten Experten erwartet, dass die Gutachter den erklärten Islamhasser für zurechnungsfähig einstufen würden. Einer der beiden Psychiater, Torgeir Husby, sagte Journalisten kurz vor Bekanntgabe der gegenteiligen Einschätzung: „Es hat bei uns keine Zweifel gegeben.“
Die endgültige Entscheidung über die Zurechnungsfähigkeit oder Unzurechnungsfähigkeit Breiviks trifft das zuständige Gericht. Staatsanwältin Inga Bejer Engh sagte, das ab April 2012 geplante Gerichtsverfahren werde in etwa gleich ablaufen. „Der einzige Unterschied wird, dass wir den Täter bei Unzurechnungsfähigkeit nicht zu Haft verurteilen lassen können.“ Dies sei ein „allseits anerkanntes Rechtsprinzip in Norwegen seit dem Mittelalter“. (dpa/abendblatt.de)