Sauerland teilte am Montag mit, dass ein Rücktritt momentan das Falsche sei, wichtiger sei es, die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten.
Duisburg. Nach der Tragödie bei der Loveparade mit 19 Toten und Hunderten Verletzten lehnt Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) einen Rücktritt weiter ab. Er könne diese Forderung nachvollziehen, teilte das Stadtoberhaupt am Montag in einer schriftlich verbreiteten Stellungnahme mit. „Doch heute und in den nächsten Tagen muss es darum gehen, die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten und die vielen Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammenzufügen“, erklärte der Politiker.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung und hat dazu die Unterlagen der Organisatoren beschlagnahmt. Diese werden mit massiven Vorwürfen wegen falscher Planung und Einschätzung des Massen-Events konfrontiert. Duisburg war am Samstag Austragungsort und unterstützte die Veranstaltung.
Sauerland sagte, es gebe drängende Fragen, auf die nun Antworten gefunden werden müssten. Die Stadt Duisburg werde die Staatsanwaltschaft in ihrer Arbeit unterstützen. Auch die Rolle der Stadt gelte es zu beleuchten. „Wenn sich die Stadt etwas vorzuwerfen hat, dann werden wir Verantwortung übernehmen“, erklärte er.
Er wandte sich auch an die Angehörigen der Verstorbenen und Verletzen: „Die Stadt trauert mit Ihnen, auch ich ganz persönlich.“ Er wisse, dass die Angehörigen von ihm Antworten erwarten, die er aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geben könne.
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Die Organisatoren des Heavy Metal Festivals in Wacken (Kreis Steinburg) wollen jetzt auf Nummer sicher gehen. An diesem Mittwoch würden alle Beteiligten sich noch einmal zusammensetzen und das bisherige Sicherheitskonzept überprüfen, bestätigte Produktionsleiter und Sicherheitschef Thomas Hess am Montag einen Bericht der NDR 1 Welle Nord. Dazu gehörten das Rote Kreuz, der Notarzt, die Feuerwehr und Polizei, das Ordnungsamt sowie die Veranstalter und er als Sicherheitschef. Das Treffen sei als Konsequenz der Vorgänge in Duisburg angesetzt worden. Rund 75.000 Musikfreunde werden vom 5. bis 7. August in der kleinen Gemeinde zu dem beliebten Open Air erwartet.
Unterdessen werden die wütenden Vorwürfe gegen die Verantwortlichen der Loveparade immer lauter. Die Ermittler lieferten nach der Katastrophe mit 19 Todesopfern am Montag zwar noch keine Erklärungen. Doch es verdichteten sich Hinweise, dass Warnungen missachtet und behördliche Vorschriften bewusst aufgeweicht worden sind. Bei der Party wurden nach neuen Angaben insgesamt 511 Menschen zum Teil schwer verletzt .
Einer der Schwerverletzten aus dem tödlichen Gedränge bei einer Unterführung vor dem Partygelände schwebte am Montag noch in Lebensgefahr, teilte die Polizei mit. Von den insgesamt 511 Menschen mussten 283 in Krankenhäusern behandelt werden. 42 von ihnen lagen am Montag noch in Kliniken.
Die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung stünden noch am Anfang, sagte Staatsanwalt Rolf Haverkamp in Duisburg. „Es haben sich jede Menge Zeugen gemeldet, die werden auch alle vernommen.“ Zur Frage, ob die 19 Todesopfer obduziert werden, wollte er sich nicht äußern. Um Befangenheit bei den Ermittlungen zu vermeiden, wird die Duisburger Polizei „die Ermittlungen an eine andere Polizeibehörde abgeben“, kündigte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums am Montag in Düsseldorf an.
An der Spitze der Kritik am Sicherheitskonzept der Techno-Parade steht die Deutsche Polizeigewerkschaft. „Ich habe vor einem Jahr Duisburg als ungeeignet für die Loveparade abgelehnt und bin dafür als Spaßverderber und Sicherheitsfanatiker beschimpft worden“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt. „Aber die Verantwortlichen waren besessen von der Idee, etwas für diese gebeutelte Stadt zu tun. Ich bin alles andere als glücklich darüber, nun leider auf diese Weise bestätigt worden zu sein.“
Der NRW-Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, sagte: „Polizei und Feuerwehr haben viel Erfahrung mit Großveranstaltungen. Praktisch nichts davon wurde umgesetzt“.
Auch die Trauernden, die vor dem Todestunnel Blumen, Bilder und Briefe niederlegten, finden deutliche Worte für ihre Erschütterung: „Und keiner hat Schuld – jeder Vollidiot hätte es besser gewusst“, hat jemand in akkuraten Druckbuchstaben auf ein Stück Pappe gemalt.
Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland hatte das Sicherheitskonzept der Loveparade verteidigt und das Unglück auf „individuelle Schwächen“ zurückgeführt.
Veranstalter anderer Großveranstaltungen reagierten fassungslos auf die Tragödie. Deutschlands führender Konzertveranstalter Marek Lieberberg machte seiner Wut Luft und benannte Profilierungssucht und Inkompetenz als Ursachen. Das „war keine höhere Gewalt wie ein Treppeneinsturz oder ein Unwetter, sondern das Ergebnis eines verhängnisvollen Zusammenwirkens von völlig überforderten Behörden und inkompetenten Organisatoren, die weder mit derartigen Großveranstaltungen vertraut noch in der Lage waren, auf Notsituationen zu reagieren“, teilte Lieberberg mit.
Ortskundige hatten gewarnt: "Ich seh schon Tote"
Möglicherweise werden die Fehlleistungen bei der Vorbereitung der Loveparade auch Inhalt einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Die Einrichtung eines solchen politischen Gremiums hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion verlangt. Die Bundesregierung zeigte sich offen für Konsequenzen, warnte aber vor voreiligen Schlüssen.
Unterdessen liefen in Duisburg die Planungen für die Trauerfeier. Zudem wurde ein Kondolenzbuch ausgelegt. Gegen Oberbürgermeister Sauerland, leitende Beamte der Stadt und die Veranstalter erstattete der ehemalige Bochumer Polizeipräsident Thomas Wenner (62) unterdessen persönlich Anzeige, wie er der dpa bestätigte. Eine solche Veranstaltung hätte in Duisburg nie realisiert werden dürfen. Wenner hatte 2009 als amtierender Polizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.
Sauerland war am Sonntag von Trauernden körperlich angegriffen worden. Er wurde ausgebuht, beschimpft, ein Mann habe ihn mit Müll beworfen und an der Jacke getroffen, berichtete die „Bild“ -Zeitung. „Das waren Menschen, die trauern, die ihren Emotionen freien Lauf gelassen haben und das verstehe ich“, sagte Sauerland danach. Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nach Informationen von „Spiegel Online“ die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu 1,4 Millionen Besuchern in der Stadt. So habe der Veranstalter nicht die sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen. Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250000 Menschen zugelassen gewesen. Die Stadt Gelsenkirchen – ursprünglich als Austragungsort der Loveparade 2011 vorgesehen – begrüßte die Absage der Party durch den Veranstalter Rainer Schaller. „Es ist definitiv richtig, dass die Loveparade nach der Katastrophe von Duisburg nicht mehr stattfindet. Sie wäre in Zukunft immer von diesem Unglück belastet gewesen“, sagte Stadt-Sprecher Martin Schulman.