Lenamania tobt durch Europa - endet sie mit einem Triumph, wäre das auch ein Sieg für Nicole. Sonnabend im Liveticker auf abendblatt.de.
Oslo. Im Jahr 1982 herrschte noch ein bisschen mehr Frieden in der Welt des "Eurovision Song Contests", der damals noch "Grand Prix d'Eurovision de la Chanson" hieß, der Trutschigkeit der Veranstaltung entsprechend. So klang auch Nicole, damals 17, direkt nach ihrem Sieg mit "Ein bisschen Frieden" noch sehr entspannt im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt: "Ob ich jetzt hauptberuflich Sängerin werde, das weiß ich im Augenblick noch nicht so genau. Ich werde wohl als Erstes mal das Abi machen." Dann kam der Medienrummel und bis heute häufen sich vor dem Song Contest die - vergeblichen - Interview-Anfragen bei Nicole. (Der Grand Prix am Sonnabend im Liveticker auf abendblatt.de)
Dabei ist der mediale Aufruhr von 1982 kaum mit der aktuellen Lenamania zu vergleichen: Jeder Trippelschritt, den Deutschlands eurovisionäre Hoffnung Lena Meyer-Landrut, 19, zurzeit in Oslo macht, wird wenige Minuten später getwittert und auf die Nachrichtenkanäle im Internet gepustet.
Das weltweite Netz, im Nicole-Jahr 1982 noch eine Idee von Forschern im frühesten Entwicklungsstadium, analysiert jeden falschen Ton bei den Proben, jedes gesagte Wort bei den Pressekonferenzen. Kaum hat Lena keinen kecken Spruch parat, geht ihr angeblich "die Puste aus".
Als flirtende "Skandal-Lena" wird sie von dänischen Zeitungen mit dem norwegischen Kandidaten Didrik Solli-Tangen, 22, in Verbindung gebracht, britische Medien vergleichen ihre englische Aussprache mit der von "australischen Bauern im Outback" und der deutsche Boulevard lässt seine Trüffelschweine ganz tief buddeln, um verpixelte TV-Bilder von ihren Brüsten aufzustöbern. Sogar in alten Ausgaben der Zeitschrift "Geo" wird geblättert, um zu erfahren, dass Lena mal im Kloster von Taizé Konserven aus Plastiktellern löffelte. Auch die Tatsache, dass Lenas Contest-Beitrag "Satellite" aktuell nur auf Platz sechs der Download-Charts steht, wird nicht vergessen werden. Alles zählt, in jeder Minute.
So sehr Lenas Mentor Stefan Raab, 43, versucht, wie schon bei Max Mutzke, 29, seine schützende Hand über Privates und Leben seiner Entdeckung zu halten, so sehr lässt er keine Gelegenheit aus, sie in jeder seiner Sendungen, von "TV Total" bis zur "Wok-WM", zu präsentieren. Um zu profitieren.
Denn letztendlich ist Raab wieder der Gewinner, egal wie Lena am Sonnabend in Oslo abschneidet. Wurde seine Aussage, der Song Contest sei eine "nationale Aufgabe", anfangs noch belächelt, so widmet er sich ihr mit voller Hingabe und vollem Erfolg. Immer, wenn die Eurovision in Deutschland aus dem Blickfeld zu gleiten schien, war er da. Als Produzent von Max Mutzke und Guildo Horn und 2000 als Interpret sorgte er für Quoten und Punkte, und dieses Jahr steht er vielleicht vor seinem größten Coup: Renommierte Buchmacher zählen Lena einhellig zu den Favoriten und bei Google hat sie, genau wie Vorjahressieger Alexander Rybak, die meisten Suchanfragen. "ABC News" rechnet schon mit "Europas nächstem Teenie-Star".
Erreicht Lena in Oslo eine sensationelle Position, so hilft Raab zum vierten Mal dabei, dass der Wettbewerb in Deutschland wieder ernst genommen wird. Denn erstaunlicherweise sind seine Kandidaten seit Guildo Horn immer ernster zu nehmen. Profitieren wird davon auch die mit "Unser Star für Oslo" gestartete Kooperation von ARD und ProSieben. Noch ist der Name der Castingshow für das kommende Jahr nur Spekulation: "Unser Star für Baku"? Oder doch "Unser Star für Berlin"? Letzteres wäre auch für Nicole eine tolle Sache. Sie hätte dann ein bisschen mehr Frieden.