Selten ist jemand so schnell zum Liebling der Nation avanciert wie Lena Meyer-Landrut. Doch jetzt bläst ihr der Wind zum ersten Mal ins Gesicht.
Köln. Wie nimmt es ein 18-jähriges Mädchen mit guter Kinderstube auf, wenn es barbusig auf der Titelseite einer Boulevardzeitung prangt? Lena Meyer-Landrut (18) galt bisher als Gegenentwurf zu den publicity-geilen Kandidaten von „Deutschland sucht den Superstar“, doch seit bekanntgeworden ist, dass sie letztes Jahr halbnackt in einer RTL-Doku-Soap mitgespielt hat, ist das Bild etwas eingetrübt. Deutschland mag seit „Effi Briest“ eine Schwäche für leicht unangepasste höhere Töchter haben, aber vielleicht nicht unbedingt für solche, die sich noch vor dem Abitur nackig ausziehen und dann für Germany beim Eurovision Song Contest singen wollen.
Die Kleine muss ziemlich nervös sein, denkt man bei sich. Und dann geht die Tür auf, und sie sitzt ganz entspannt in einer Art Kantine in der Kölner Firma ihres Entdeckers und Gönners Stefan Raab. Grauer Schlabberpulli, Leggins, Turnschuhe und eine sehr dickrandige schwarze Brille. Um den Hals eine Kette, die ihr zwei Fans geschenkt haben. Der Händedruck ist gar nicht schwitzig – aber gut, das heißt noch nichts!
Am Montag hatte sie mündliche Abiturprüfung in Deutsch. Ergebnis: 2 minus. Die Ergebnisse ihrer Klausuren in Bio, Geschichte und Englisch gibt's erst nach dem Grand Prix (Finale am 29. Mai). Sie sagt, ihr reicht es, wenn sie besteht. Mitten im Abitur hat sie auch noch ihr erstes Album gemacht. Raab hat es ihr auf den Leib geschrieben. „Aber an den Texten habe ich auch mitgeschrieben“, sagt sie. „Wir haben abgesprochen, welche Art, welche Instrumente, welcher Text es sein sollte. Das Singen war dann total mir überlassen.“
Der Titel „My Cassette Player“ – so heißt auch das Album – geht auf ihre Vorliebe für Kinderkassetten wie Bibi Blocksberg zurück. „Ich habe als Kind unheimlich viel Kassetten gehört.“ Woher hat sie eigentlich diesen coolen Londoner Akzent – war sie mal als Austauschschülerin in England? „Ich war noch nie in England“, sagt sie. Der Akzent sei das Werk ihres Englischlehrers.
Das alles erzählt sie ohne die geringste Spur von Nervosität. Mal lehnt sie sich ins Sofa zurück, dann wieder beugt sie sich vor und schaut einem tief in die Augen. Aber ok, jetzt zur Sache: Ist das nicht doch ziemlich peinlich mit der Nacktszene? „Ich hab's gemacht, ich find's ok, ich hab' keinen Porno gedreht. Seit meinem 12. Lebensjahr wollte ich Schauspielerin werden. Da hab' ich das als ziemlich leichte Möglichkeit gesehen, da reinzuschnuppern.“
Und wie verträgt sich das damit, dass man sie bisher kaum fragen durfte, was sie an diesem Morgen gefrühstückt hatte – schon kam die Ansage, sie rede nicht über Privates? Das passt doch nicht zusammen! Noch immer ist sie die Ruhe selbst: „Es war nur eine Rolle, ich war ja nicht ich. In der Situation hab ich mich verstellt, und dann ist das auch nicht meine Privatsphäre.“
Und ihre Mutter? Was sagt die Mutter dazu, dass sich ihre Tochter auszieht? „Bei uns wurde eigentlich immer darauf geachtet, dass ich keine Grenzen überschreite.“ Soso. Vielleicht hat man das mit den Nacktbildern wirklich etwas zu eng gesehen. Aber zumindest muss das alles doch furchtbar belastend sein für sie. Die Fotos, die Schlagzeilen in x-facher Millionenauflage, die Macht der Presse...?
Sie lächelt. Etwas Mitleid ist drin, aber keine Spur von Arroganz. Und dann sagt sie, das sei doch alles nicht sooo wichtig. „Sag mir doch mal einen Grund, warum mich das belasten sollte. Bei uns in der Familie hat man immer gesagt: In der Zeitung von heute wickelt man morgen den Fisch ein.“
Das hat gesessen. Während man den Schreibblock wegsteckt und das Mikro ausschaltet, sagt sie noch, dass es nett gewesen sei und dass man sich ja wirklich Mühe gegeben hätte, was rauszubekommen. „Gut gemacht!“ Twelve points for Lena.