Hamburg. Fin Stevens ist bereits der fünfte Profi von der Insel in den vergangenen drei Jahren. Sportchef Bornemann erklärt das Erfolgsrezept.
Fin Stevens (21) ist offenbar ein wohlerzogener junger Mann. Ebenso wie der zweite Wochenendzugang des FC St. Pauli, Morgan Guilavogui (26), kommt der junge Waliser nach absolvierter Trainingsarbeit am Montag auf die kleine Gruppe Berichterstatter zu, stellt sich vor, gibt jedem die Hand: „Nice to meet you – schön, euch kennenzulernen“.
Willkommen in Hamburg. So schwer wird ihm die Eingewöhnung nicht fallen in der Stadt und im Team des Bundesliga-Aufsteigers. Man spricht schließlich Englisch auf dem Trainingsgelände an der Kollaustraße.
FC St. Pauli: Her mit den kleinen Engländern!
Fin Stevens ist bereits der fünfte Spieler, den Sportchef Andreas Bornemann in den vergangenen drei Jahren von der Insel in die Hansestadt holte. Er folgt Jackson Irvine (Hibernian Edinburgh), Oladapo Afolayan (Bolton), Danel Sinani (Norwich City) und Scott Banks (Crystal Palace). „Her mit den kleinen Engländern“, scheint also das Motto der Einkaufspolitik zu lauten.
Tut es aber nicht. Erstens, weil Irvine Australier, Banks Schotte und Sinani Luxemburger ist. Und zweitens weil Bornemann ein verstärktes Scouting im Vereinigten Königreich abstreitet: „Es gibt keine besondere Strategie, nach UK zu schauen.“
Gute Erfahrungen mit Profis von der Insel gemacht
Andererseits ist die Erfolgsquote der Spieler von der Insel schon beeindruckend gut. Banks wurde von einer schweren Verletzung aufgehalten, deutete aber seine Möglichkeiten schon an, über Irvine und Afolayan braucht man nicht zu reden, nur Sinani hatte vergangene Saison noch einige Probleme.
„Wir haben inzwischen gute Erfahrungen gemacht“, sagt Bornemann deshalb, „unsere Spieler von dort haben es sehr schnell geschafft, das bei uns geforderte Niveau zu erreichen.“
FC St. Pauli: Erst die Daten, dann das Scouting
Die Vorstellung aber, dass St. Paulis Chefscout Jan Sandmann ein Heer von „Spionen“ in Dufflecoat und Schiebermütze Wochenende für Wochenende über englische Fußballplätze schickt, ist natürlich Quatsch.
Der Weg ist ein anderer, erklärt Bornemann: „Wir definieren Spielerprofile, und mithilfe von Daten versuchen wir die passenden Spieler zu identifizieren, die in unser Profil passen. Wenn dann ein Zielspieler eingegrenzt ist, schauen wir uns Videos an, erst danach beginnt das Livescouting.“
Interesse an Stevens schon vor zwei Jahren
Es gibt inzwischen zahlreiche Anbieter von Spielerdaten. St. Pauli kauft aber noch weitere Daten, die seine speziellen Anforderungen widerspiegeln. Dadurch geriet Rechtsverteidiger Fin Stevens tatsächlich bereits vor zwei Jahren in den Fokus der Hamburger.
„Wenn man Daten über mehrere Saisons hat, steigt die Aussagekraft und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas aufgehen kann“, erklärt Bornemann, „Stevens hätte vom Anforderungsprofil her auch zum Trainer Hürzeler gepasst. Er war aber als Kapitän der walisischen U21 und Spieler des FC Brentford für uns eher nicht finanzierbar. Er hat 2023 den Schritt zurück nach Oxford in die League One gemacht. Das hat nun eine Tür aufgehen lassen, die vor zwei Jahren für uns noch verschlossen war.“
Bornemann lobt englische Nachwuchs-Akademien
Dafür, dass Spieler aus Großbritannien offenbar recht häufig in den entsprechenden Scoutingprogrammen auftauchen, hat Bornemann eine einfache Erklärung: „In UK sind die Spieler gut ausgebildet durch die Akademien. Die Engländer machen viele Dinge sehr gut und besser als wir.“
Dazu gehört die Wechselbarriere für Spieler der Akademien, aggressives Abwerben Jugendlicher kann dort nicht wie in Deutschland stattfinden. Unter dem Strich, haben Studien ergeben, ist das für die Entwicklung der Talente besser.
Weg in die Premier League oft durch Superstars versperrt
Andererseits ist die Chance, den Durchbruch in der Premier League zu schaffen, relativ gering. Dort werden Superstars beschäftigt, Topspieler aus aller Welt, die Durchlässigkeit nach oben ist für „normale“ Talente also vergleichsweise gering. „Darin liegt eine Chance für andere Ligen und Vereine, von der guten Ausbildung zu profitieren“, so Bornemann.
Also lohnt der Blick in die League One in England, wo auch Fin Stevens zuletzt beschäftigt war. Denn in der Championship, also der Zweiten Liga, wird ein sehr physischer Fußball gespielt – „deshalb ist die dritte Liga sehr gut für junge Spieler, um auf einem höheren Niveau Spielpraxis zu sammeln.“
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Das ist dem in der Arsenal-Akademie ausgebildeten Fin Stevens in der vergangenen Saison sehr gut gelungen. Beim Aufstieg von Oxford United in die zweite Liga, war er mit 34 Einsätzen absoluter Stammspieler. Seine Statistikdaten versprechen einiges, eine Garantie der Bundesligatauglichkeit aber kann es natürlich nicht geben.
„Wir müssen Fantasie und die Überzeugung haben, dass jemand schnell in der Lage ist, seine Fähigkeiten zum Beispiel von der League One in die Bundesliga zu transportieren und das höhere Niveau zu adaptieren“, sagt Bornemann: „Wir verpflichten praktisch nie Spieler, die als eine sichere Bank zu sehen sind.“