Scheffau am Wilden Kaiser. Der neue Trainer des FC St. Pauli hat im Trainingslager wichtige Fortschritte erreicht – und darf sich auf zwei Neuzugänge freuen.
Ganz am Ende ging beim FC St. Pauli dann doch noch etwas schief. Noch im Mannschaftshotel erfuhr das Team von Chefcoach Alexander Blessin am Donnerstagvormittag, dass Eurowings-Flug EW 4344 von Salzburg nach Hamburg annulliert wurde. Plötzlich gab es Stress für Teammanager Jonas Wömmel, der kurzfristig aber einen Charterflieger ab Salzburg organisieren konnte, sodass Trainer, Spieler sowie Verantwortliche gleich in mehrfacher Hinsicht zufrieden auf die vergangenen zehn Trainingslagertage am Wilden Kaiser zurückblicken konnten.
Da war zum einen der starke 1:0-Testspielerfolg gegen den französischen Topclub Olympique Marseille am Mittwochabend. Da waren zum anderen aber auch zwei vielversprechende Neuzugänge, die bereits zeitnah zum Team des Bundesliga-Aufsteigers stoßen sollen. Und zu guter Letzt hatte Trainer Blessin auch noch einen eher unangenehmen Teil hinter sich gebracht.
FC St. Pauli: Trainer Blessin singt zum Einstand
Wie die Spieler-Neuzugänge mussten auch der neue Chefcoach und der neue Torwarttrainer Sven van der Jeugt am Donnerstagabend im Hotel Kaiser vor versammelter Mannschaft ein Einstandslied performen. „Ich stehle mich da nicht aus der Verantwortung“, sagte Blessin, der sich kurz nach dem Abpfiff gegen Lyon nur bei seiner Song-Auswahl noch nicht sicher war. „Einen harten, knackigen Sing wird meine Stimme nicht hergeben. Dafür habe ich eben schon zu viel geschrien“, sagte der 51-Jährige leicht heiser und grinste. „Deshalb wird es wohl eher ein Liebessong.“
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Spieler auch auf dem Platz immer mehr in Blessins Spielidee verlieben könnten, lieferte der Lyon-Test genug. „Er muss richtig Überzeugungsarbeit leisten und auf die Jungs zugehen, um sie für seine Idee zu gewinnen. Das macht er außergewöhnlich gut“, hatte Sportchef Andreas Bornemann zuvor über Blessin gesagt, der das unter Vorgänger Fabian Hürzeler praktizierte Ballbesitz-System angesichts des Bundesliga-Aufstiegs auf ein defensiveres 3-5-2 umstellen will.
Philipp Treu gab sein Comeback gegen Lyon
„Alex hat eine neue Spielidee, auch im Spiel gegen den Ball“, sagte Außenverteidiger Philipp Treu, der nach einem erst Mitte April erlittenen Wadenbeinbruch sein Comeback („Unfassbar geiles Gefühl“) feierte. „Es muss sich alles einpendeln. Wir haben in dieser Woche viele Videositzungen und Besprechungen gehabt. Heute hat mir aber vor allem das gemeinschaftliche Kämpfen gefallen. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Punkt in der Bundesliga sein wird“, sagte Treu.
Tatsächlich kamen die Kiezkicker, denen es in den Anfangsminuten noch sichtlich zu schnell gegangen war, gegen Lyon vor allem über den Kampf in die Partie, verteidigten leidenschaftlich und kompakt. Gegen Greuther Fürth (1:3) hatte St. Pauli fünf Tage zuvor noch große Probleme mit tiefen gegnerischen Bällen gehabt, die Absicherung funktionierte nun deutlich besser.
Abwehrkette macht deutliche Fortschritte
Auch Blessin sprach von „großen Fortschritte“ beim Verhalten der Abwehrkette. „In der nächsten Phase nach Ballgewinn müssen wir noch klarere Elemente schaffen und keine blöden Ballverluste haben“, ergänzte der Trainer. Auf diesen Aspekt werde er in der kommenden Trainingswoche den Fokus legen, im Testspiel beim englischen Zweitligisten Norwich City (3. August) soll es dann auch im Spiel mit dem Ball besser aussehen.
Zwar sind Testspiele nun mal nur Testspiele, für die innere Überzeugung sind Erfolge wie am Mittwochabend dennoch von großer Bedeutung. „Das Spiel gibt uns einen Schub und soll auch den Jungs zeigen, dass es gegen so einen Topteam funktioniert“, sagte der Trainer. „So was hilft mir, noch schneller und besser in die Köpfe der Spieler reinzukommen.“
Guilavogui und Stevens werden bei St. Pauli erwartet
Auch insgesamt hat sich die Stimmung im Laufe des Trainingslagers gedreht. Während auf den ersten Tagen angesichts der Ausfälle mehrerer Stammspieler, der Testspielpleite gegen Fürth und noch ausstehender Transfers eine gewisse Schwere lag, scheint mittlerweile auch bei den Fans eine Abruchsstimmung aufzukommen.
Maßgeblich dafür verantwortlich waren auch die Aktivitäten auf dem Transfermarkt, wo es in dieser Woche dann doch schneller voranging, als zuvor zu erwarten war. Stürmer Morgan Guilavogui (26) vom französischen Erstligisten RC Lens dürfte zeitnah offiziell vorgestellt werden, der Nationalspieler Guineas soll mit einer Leihe plus Kaufoption als zentraler Spieler für Blessins Doppelsturm kommen.
Stevens spielte zuletzt bei Oxford United
Hinzu kommt Rechtsverteidiger Fin Stevens (21), den die Kiezkicker vom Premier-League-Club FC Brentford holen. Der walisische Nationalspieler, ausgebildet beim Spitzenclub FC Arsenal, war in der vergangenen Spielzeit leihweise für Oxford United aktiv, hatte dort als Stammspieler entscheidenden Anteil am Aufstieg in die Zweite Liga.
Nach Abendblatt-Informationen waren den Kiezkickern in den vergangenen Wochen auch immer wieder erfahrene Bundesligaprofis angeboten worden, die allerdings eher auf dem Rückweg ihrer Karriere waren. Sportchef Bornemann präferierte jedoch einen jungen, entwicklungsfähigen Spieler, der als Herausforderer für Manolis Saliakas zum Millerntor-Team kommt.
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Laut einem Bericht des Online-Portals „The Athletic“ lassen sich die Kiezkicker Stevens eine Million Euro kosten, woduch er der viertteuerste Neuzugang in der Geschichte des Clubs wäre. Nur für Cenk Şahin (Saison 2017/18), David Nemeth (2022/23, beide 1,3 Millionen Euro) und Uğur İnceman (2001/02, 1,38 Millionen Euro) gab man einst mehr Geld aus. Denkbar ist allerdings, dass St. Pauli zunächst weniger für Stevens zahlt und sich die Summe erst bei entsprechenden Leistungen erhöht.
Trainer Blessin gab der Mannschaft nach der Landung in Hamburg zwei Tage frei, erst am Sonntag trifft sich das Team wieder an der Kollaustraße – gut möglich, dass Guilavogui und Stevens dann schon dabei sein werden. Knapp drei Wochen bleiben dann noch bis zum ersten Pflichtspiel, am 16. August geht es im DFB-Pokal zum Drittligisten Hallescher FC. Blessin räumte zwar ein, dass noch Arbeit vor ihm liege, das Grundgefühl aber sei ein Positives. „Ich glaube, dass wir die richtige Richtung eingeschlagen haben“, sagte er.