Hamburg. Die Leihgabe des SC Freiburg soll sich beim Bundesligaaufsteiger weiterentwickeln. Breisgauer sind zufrieden mit ihrem Eigengewächs.
Beim SC Freiburg wissen sie genau, was sie an Robert Wagner haben – oder sich zumindest für die Zukunft erhoffen. „Wir sind insgesamt sehr zufrieden mit Roberts Entwicklung“, erklärte Freiburgs Sportdirektor Klemens Hartenbach: „Beim FC St. Pauli kann Robert nun den nächsten Schritt auf Erstliga-Niveau machen.“
Die Ausleihe des jungen Mannes, der am kommenden Sonntag 21 Jahre alt wird, ist ein genau kalkulierter Abschnitt in einer planmäßig entwickelten Karriere. „Der FC St. Pauli ist noch ein Schritt nach vorne, eine Weiterentwicklung“, begründet Wagner seinen Schritt in den Norden, den er mit seiner Unterschrift Anfang Juni perfekt machte.
St. Paulis Robert Wagner: Opfer für den Profitraum
Mit elf Jahren kam der Bub aus Lahr im Schwarzwald in die berühmte Freiburger Fußballschule, in der seit vielen Jahren Talente zu Bundesligaspielern entwickelt werden. Dreimal in der Woche fuhren ihn seine Eltern 45 Minuten hin und 45 Minuten zurück. Hausaufgaben spätabends. Ein Leben für den Fußball.
Das brach er nach einer gewissen Zeit wieder ab, zu stressig. Ließ sich dann aber für die U15 des SC Freiburg erneut rekrutieren. „Ich musste lernen, was es heißt, zu entbehren“, erzählte Wagner vor zwei Jahren dem „Spiegel“ über seine Anfänge: „Wenn meine Jungs aus der Heimat am Wochenende loszogen, ging ich ins Bett, um für das Spiel fit zu sein. Diese Zeit war eine entscheidende. Wer wirklich Profi werden will, muss diese privaten Versäumnisse aushalten.“
Fundierte Ausbildung beim SC Freiburg
Dazu gehört dann eben auch die Trennung von der Heimat und der Freundin. Auf in den Norden. 765 Kilometer vom schönen Breisgau entfernt. Wer aus dem deutschen Sonnenloch unten links auf der Landkarte kommt, der muss sich nicht nur an das deutlich kühlere und wechselhaftere Wetter gewöhnen. „Hamburg ist schon sehr groß, deutlich größer als Freiburg“, sagt er, „ein wenig bin ich schon herumgelaufen, aber bis ich sie kenne, das dauert noch.“
Mit der U23 des SC Freiburg stieg der Mittelfeldspieler 2021 in die Dritte Liga auf und debütierte 2022 in der Bundesliga. Seither bestritt er 48 Einsätze in der 3. Liga für den Sport-Club, für die SC-Profis stand er viermal in der Bundesliga und einmal in der Europa League auf dem Platz. Im Januar 2022 unterschrieb er seinen ersten Profivertrag.
Durchbruch in der Zweiten Liga in Fürth
„Ich bin ein laufstarker Spieler, der gerne Zweikämpfe führt. Bälle erobert und Umschaltaktionen kreiert“, beschreibt Wagner seinen Spielstil. Das ist ihm in der vergangenen Saison in der Zweiten Liga erstklassig gelungen. Auch da war er bereits ausgeliehen, an die SpVgg Greuther Fürth.
31 Zweitligaspiele mit vier Toren und fünf Torvorbereitungen absolvierte er für die Franken, war also unumstrittener Stammspieler. „Robert hat uns in der Intensität gegen den Ball und im gesamten läuferischen Bereich sowie in der Balleroberung ein neues Level gegeben“, sagte Fürths Cheftrainer Alexander Zorniger.
Marktwert hat sich auf drei Millionen Euro verdoppelt
Wagners angenommener Marktwert verdoppelte sich laut dem Portal „Transfermarkt“ von 1,5 auf drei Millionen Euro. Die Einschätzung von Freiburgs langjährigem Cheftrainer Christian Streich scheint sich also bestätigt zu haben: „Er hat eine gute Dynamik, eine gute Präsenz, führt Zweikämpfe und hat einen guten Abschluss. Fußballerisch braucht er manchmal noch mehr Ruhe.“
Nun ist der SC Freiburg als seit Jahren etablierter Bundesligist natürlich deutlich eine andere Hausnummer als der Aufsteiger vom Hamburger Kiez. Dennoch spielen beide Vereine in der kommenden Saison in derselben Spielklasse. Für Wagner kann das also ein ideales Lehrjahr werden. Es soll sogar eine Kaufoption für St. Pauli für eine ziemlich hohe Summe geben. Ein Klassenerhalt könnte also helfen.
„Robert hat bei Mannschaften gespielt, die ebenfalls Wert auf einen aktiven Fußball und Ballbesitz legen“, begründete St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann die Verpflichtung: „Deswegen trauen wir ihm zu, sich schnell bei uns zurechtzufinden und in der kommenden Saison eine gute Rolle zu spielen.“
Gespräche mit Hürzeler vor dem Wechsel nach Hamburg
Diese Perspektive wurde Wagner auch bei den Gesprächen mit Trainer Fabian Hürzeler vermittelt. Nur ist der jetzt nicht mehr da. Nun gibt Alexander Blessin den Ton als Cheftrainer an, mit dem er noch kein persönliches Wort sprechen konnte. „Das ist Teil des Profigeschäfts, dass ein Trainer geht und ein neuer kommt. Wir sind Profis genug, die Situation anzunehmen“, sagt Wagner.
Die ersten drei Trainingseinheiten seit Montag lassen aber vermuten, dass sich an St. Paulis Stil nicht allzu viel ändern wird. Der Ballbesitz wird weniger werden, logisch, in der höheren Liga. Das Jagen des Gegners, das laufintensive Spielen und Pressen aber wird wohl bleiben.
- Nach Saliakas: Wer unterschreibt als nächstes am Millerntor?
- Kiezkicker mit Übergewicht zurückgekehrt – jetzt Einzeltraining
- „Bin kein Hürzeler 2.0“: Was St. Pauli von Blessin erwartet
„Das Training war bislang sehr intensiv, wir haben viel mit Gegenpressing gearbeitet“, berichtet Wagner von seinen ersten drei Tagen an der Kollaustraße. „Diese Form kenne ich schon aus Fürth, da haben wir ähnliche Formen trainiert. Das Spiel mit dem Ball werden wir uns wohl erst im Trainingslager in Österreich intensiv erarbeiten.“
Ab kommenden Montag geht es in Scheffau am Wilden Kaiser dann auch darum, die Mitspieler besser kennenzulernen, mit dem Trainer zu besprechen, welche Rolle der für das Talent aus Freiburg sieht. Und möglicherweise steht auch das übliche Ritual für Neulinge an: „Wahrscheinlich muss ich da vor den Jungs singen.“