Hamburg. Der harte Konkurrenzkampf ist auf einer Position am auffälligsten. HSV-Trainer steht vor gleich mehreren Härtefällen.

Steffen Baumgart ist ein Freund der klaren Worte. Wann immer der HSV-Trainer über seine eigene Philosophie spricht oder den Plan des Gegners lobt, verwendet er das Wort „klar“. Auch seine Spieler nimmt er regelmäßig in die Pflicht, „klarere Bälle“ zu spielen. Daher dürfte Baumgart positiv zur Kenntnis genommen haben, welch klare Zielsetzung sich Immanuel Pherai für diese Saison gesetzt hat. „Ich möchte deutlich mehr zeigen als in der vergangenen Spielzeit, als ich mir mehr vorgenommen hatte. Ich kann es besser“, sagte der Nationalspieler Surinames über drei Tore und fünf Vorlagen in seiner Debütsaison.

Etwas mehr als zwei Monate liegt diese Aussage nun schon zurück. Der HSV befand sich damals inmitten der Vorbereitung auf die neue Saison und Pherai hoffte, den Stammplatz des zu Union Berlin gewechselten Laszlo Benes einnehmen zu können. Seitdem konnte Pherai seinen Worten allerdings nur wenig Taten folgen lassen. In der Liga stand er nur zweimal in der Startelf, spielte nur 190 von 540 möglichen Minuten und bereitete nur ein Tor vor. Beim 2:2 vor einer Woche in Kaiserslautern wurde Pherai aus dem Kader gestrichen, weil er mit Fieber von seiner langen Länderspielreise zurückgekommen war. Auch das noch.

HSV-Konkurrenzkampf auf der Zehn am größten

Beim Heimspiel an diesem Sonnabend gegen Paderborn (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) soll Pherai zumindest wieder für das 20-köpfige Aufgebot nominiert werden. „Seine Chancen wieder dabei zu sein, sind sehr gut“, kündigte Baumgart in aller Klarheit an. In der ersten Elf wird der HSV-Coach aber weiterhin auf andere Akteure setzen. Neben Pherai kommen mit Adam Karabec, Neuzugang Marco Richter und Ludovit Reis gleich vier Profis für die Zehnerposition infrage. Nirgendwo ist der in dieser Saison so große Konkurrenzkampf härter als für die Rolle des Spielmachers.

„Gerade in der Zentrale haben wir keinen Qualitätsverlust, wenn wir wechseln“, freut sich Baumgart über die Luxussituation. Nachdem zuletzt zweimal Richter das Vertrauen erhalten, aber nur bedingt überzeugt hatte, hat gegen Paderborn Karabec beste Aussichten auf einen Einsatz von Beginn. Gemeinsam mit Linksaußen Jean-Luc Dompé sorgte der tschechische U-21-Nationalspieler, der das 2:2 von Davie Selke vorbereitete, nach seiner Einwechslung auf dem Betzenberg für die Wende.

Karabec hat beste Chancen auf HSV-Startelf

Ohnehin entspricht Karabec, der nach Flanken bereits zwei Tore aufgelegt hat (in Köln und in Kaiserslautern) von den genannten Zehnerkandidaten am ehesten dem von Baumgart favorisierten Spielerprofil. „Wir müssen mehr flanken“, kündigte der HSV-Trainer vor dem Paderborn-Spiel an. Tempodribbler Pherai, der den risikoreichen Steckpass in die Spitze oder den eigenen Abschluss bevorzugt, muss sich also weiter hintanstellen.

Das Gleiche gilt für Reis, der von Baumgart in dieser Saison offensiver aufgestellt wird. Der in der vergangenen Rückrunde noch als Rechtsverteidiger eingesetzte Niederländer ist nun ein Kandidat für die Rolle hinter den beiden Spitzen Robert Glatzel und Ransford Königsdörffer – allerdings ebenfalls nur als Einwechselspieler. Eine Aufgabe, die weder Pherai noch Reis zufriedenstellt.

Wie Baumgart die Reservisten bei Laune hält

„Wir haben einen sehr guten, breiten Kader mit einer hohen Qualität. Der eine oder andere hat zu Recht den Anspruch, mehr zu spielen“, sagt Baumgart, der die harten Entscheidungen, die der Konkurrenzkampf erfordert, Woche für Woche moderieren muss. „Die Jungs müssen damit leben lernen, dass der Kader nicht auf elf oder zwölf, sondern auf 22 Profis aufgebaut ist.“ Nominieren kann der Trainer allerdings nur 20 Profis.

Um alle Spieler möglichst bei Laune zu halten, macht Baumgart stets Gebrauch von seinen fünf Wechseloptionen. Die ersten Wechsel gibt es meistens bereits um die 60. Minute, sodass auch die Reservisten auf ihre Spielminuten kommen. Außerdem bekräftigt Baumgart vor der Mannschaft immer wieder, dass die meisten Spiele hinten heraus entschieden werden, weshalb die Einwechselspieler eine große Verantwortung tragen. „Gerade die zurückliegenden zwei Spiele haben gezeigt, wie gut es ist, nachlegen zu können“, sagt der HSV-Coach, der vier Tore durch Einwechselspieler in diesen zwei Spielen anspricht.

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HSV-Treue bei Pherai trotz Ausstiegsklausel

Für Pherai bleibt momentan nur die Möglichkeit, sich über Einwechslungen für mehr Spielzeit zu empfehlen. Trotz seiner klaren Ansage im Sommer, in dieser Saison deutlich mehr zeigen zu wollen, gibt sich der Kreativspieler momentan noch entspannt mit seiner Jokerrolle. Er nimmt den Konkurrenzkampf an und gibt sich bis zum Ende der Hinrunde Zeit. Bis dahin will er sich durchgesetzt haben.

Um auf seine gewünschte Spielzeit zu kommen, hätte Pherai in der Theorie im Sommer mithilfe seiner Ausstiegsklausel die Flucht ergreifen können. Bis zum 30. Juni hätte er den Zweitligisten für eine vertraglich vereinbarte Millionensumme verlassen können, sofern sich ein zahlungskräftiger Interessent gefunden hätte.

Nach Abendblatt-Informationen kamen bei dem Offensivspieler zu dieser Zeit allerdings keine Wechselgedanken auf. Für Pherai stand fest, unbedingt beim HSV bleiben zu wollen. Er sieht seine Aufgabe in Hamburg als langfristiges Projekt, das er nicht wegen einer für ihn persönlich sportlich schwierigen Phase beenden will. Eine klare Haltung, ganz nach dem Geschmack seines Trainers.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

  • HSV: Raab – Hadzikadunic, Schonlau, Muheim – Meffert, Elfadli – Hefti, Karabec, Dompé – Königsdörffer, Glatzel.
  • Paderborn: Boevink – Scheller, Götze, Brackelmann – Obermair, Bilbija, Castaneda, Zehnter – Kostons, Ansah – Michel.