Hamburg. Der HSV-Vorstand will freigestellte Mitarbeiter wieder eingliedern. Drei Lösungen schon gefunden. Doch ein Fall ist kompliziert.

In den vergangenen Wochen war Pit Reimers in vielen Stadien der Zweiten Liga unterwegs. Im Auftrag von HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz arbeitete der ehemalige U21-Trainer für die Scoutingabteilung der Profis und half mit bei der Gegneranalyse. Eine Idee, die am Mittwoch schon wieder Geschichte war. Reimers unterschrieb einen Vertrag als neuer Trainer des VfL Osnabrück. Beim Drittligisten wird der 40-Jährige Nachfolger von Uwe Koschinat. Nach 17 Jahren HSV ist es die erste Profistation für Reimers. „In diesem Jahr wuchs mein Wunsch nach Veränderung, ich wollte schlichtweg den nächsten Schritt gehen“, sagte Reimers.

Beim HSV war der Fußballlehrer nach der vergangenen Saison freigestellt worden. Ex-Sportvorstand Jonas Boldt hatte schon Anfang des Jahres entschieden, Reimers in der U21 im Sommer durch Loic Favé zu ersetzen. Seit Mai war Reimers daher beschäftigungslos, wurde aber weiter vom HSV bezahlt, da er über einen unbefristeten Vertrag verfügte. Gleiches galt für Ex-Profi Bastian Reinhardt, Nachwuchskoordinator Sebastian Schmidt oder den früheren Torwarttrainer Stefan Wächter.

Bastian Reinhardt hat eine neue Aufgabe beim HSV

Mit allen vier freigestellten Mitarbeitern nahm Boldt-Nachfolger Kuntz im Sommer Gespräche auf. Sowohl mit Reinhardt (48), der nach seiner Leihstation als Trainer beim VfB Lübeck zum HSV zurückgekehrt war, als auch mit Schmidt hat Kuntz Lösungen gefunden. Schmidt arbeitet wieder im Nachwuchs, Reinhardt ist jetzt Individual- und Toptalente-Trainer.

Kuntz verfolgt damit eine andere Strategie als Boldt. Von dieser profitieren vor allem Ex-Profis wie Reinhardt oder auch Wächter. Der frühere HSV-Torwart ist der komplizierteste Fall, den Kuntz lösen will. Wächter wurde im März 2018 gemeinsam mit dem Trainerteam um Bernd Hollerbach freigestellt. Bis dahin arbeitete Wächter fast vier Jahre lang als Torwarttrainer für die HSV-Profis, unter anderem unter Bruno Labbadia und Markus Gisdol. Seit sechs Jahren aber ist der heute 46-Jährige nun schon beschäftigungslos. Der HSV aber muss ihn monatlich bezahlen.

Boldt hatte vergeblich versucht, eine Lösung mit Wächter zu finden

Ein Zustand, den Kuntz nun ändern will. Schon Boldt hatte nach seinem Amtsantritt 2019 versucht, mit Wächter eine Lösung zu finden. Doch der ehemalige Bundesligatorwart soll einen Vergleich abgelehnt haben. HSV-Justiziar Philipp Winter bemühte sich in der Folge vergeblich um den Fall Wächter.

Gelingt es nun Kuntz, den Torwarttrainer wieder einzugliedern? Nach Abendblatt-Informationen haben die beiden ein erstes Gespräch geführt. Beim VfL Bochum spielten Kuntz und Wächter einst in einer Mannschaft. Womöglich könnte diese Verbindung helfen.

„Ich kann nur dazu raten, in den Dialog zu gehen“, sagt auch der Hamburger Fachanwalt für Sport- und Arbeitsrecht, Kolja Hein. Der Jurist kennt sich mit der Problematik von Fußballclubs mit freigestellten Mitarbeitern und unbefristeten Arbeitsverträgen aus. Hein, der bei verschiedenen Proficlubs Einblicke bekommen hat, sagt: „In der Menge ist das ein HSV-Phänomen.“

Besondere Rechtslage für Verträge im Fußball

Dass der HSV überhaupt in die Situation gekommen ist, Wächter über Jahre ohne eine Gegenleistung bezahlen zu müssen, liege laut Hein an dem im Fußball gängigen Teilzeitbefristungsgesetz. Dieses gelte zwar für Spieler, nicht aber für Trainer und Funktionäre. Das bedeutet: Länger als zwei Jahre dürfen Mitarbeiter auch im Fußball ohne besonderen Sachgrund nicht befristet angestellt sein. „Kraft Gesetzes muss man drei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entfristungsklage beim Arbeitsgericht einreichen. Dann wird entschieden, dass es ein unbefristeter Vertrag ist. So war es auch bei Stefan Wächter“, sagt Hein.

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Was den Fall kompliziert macht: Da Wächter bei den Profis als Torwarttrainer arbeitete und seinen Kontrakt in dieser Zeit verlängerte, dürfte seine Position an die Tätigkeit bei den Profis gebunden sein. Aufgabe etwa im Nachwuchs könnte Wächter daher ablehnen. „Das ist vom Direktionsrecht nicht gedeckt“, erklärt Fachanwalt Hein.

Will der HSV den Ex-Coach von der Gehaltsliste bekommen, müsste er also mit Druckmitteln arbeiten. Kuntz aber versucht es auf einem anderen Weg: mit Kommunikation. Ob das zu einer Lösung führt? Diese Frage kann vermutlich nur Wächter selbst beantworten.

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