Hamburg. Im Sommer wollte er wechseln, nun findet sich der Profi auf der Bank wieder. Die Gründe für eine nicht immer reibungslose Beziehung.

Ludovit Reis und Steffen Baumgart hatten etwas zu klären. Obwohl das HSV-Training noch nicht beendet war, blieben der Mittelfeldspieler und sein Trainer auf dem Platz stehen und diskutierten. Dabei hob Reis immer wieder beide Arme und gestikulierte leidenschaftlich, doch seine Argumente prallten an Baumgart ab. „Wir haben etwas intensiver gesprochen“, bestätigte der 52-Jährige die Meinungsverschiedenheit. Vorausgegangen war eine gemeinsame Einheit mit der U21, die seit dieser Saison einmal wöchentlich die Spielweise des kommenden Gegners nachbildet.

Doch Reis war unzufrieden, er hatte eine andere Idee als das Trainerteam. Baumgart zeigt sich offen für solche Diskussionen, die ihn an seine Zeit als aktiver Profi erinnern. „Ich habe Ludovit gesagt, dass er sich keine Gedanken über solch ein Gespräch machen müsse, weil ich als Spieler viel schlimmer als er gewesen bin“, sagte der HSV-Coach. „Ich habe sehr viel Spaß, mit den Spielern zu diskutieren, und hoffe, die Spieler erhalten sich auch den Spaß und die Offenheit.“

Einen Monat liegt dieser Vorfall nun bereits zurück. Damals, wenige Tage vor dem Spiel bei Hannover 96 (0:1), befand sich Reis zwar bereits in einer Formkrise. Doch er war zumindest noch Stammspieler. Seitdem hat sich seine Rolle beim HSV verändert. Weil ihm andere Spieler wie die Neuzugänge Marco Richter und Adam Karabec den Rang abgelaufen haben, und auf der Doppelsechs Jonas Meffert und Daniel Elfadli gesetzt sind, ist Reis mittlerweile nur noch Reservist. Und so drängt sich die Frage auf, ob sich Reis wirklich den Spaß erhalten hat?

HSV-Trainer Baumgart erklärt Plan mit Reis

„Wir müssen vorsichtig sein“, antwortete Baumgart am Donnerstag auf die Abendblatt-Frage, wie er Reis zurück zu alter Formstärke bringen will. Der Trainer erinnerte daran, dass der zentrale Mittelfeldmann zwar schon 107 Pflichtspiele für die Hamburger bestritten habe, mit 24 Jahren aber trotzdem noch jung sei. „Er hat in seiner Karriere bislang eher die Sonnenseite gesehen als Regen. Im Fußball gehören solche Situationen dazu, in denen man sich herankämpfen muss. Und das macht er auch.“

Reis ist ein Spielertyp, der einen besonderen Umgang und viel Aufmerksamkeit benötigt, um sich wohl zu fühlen. Baumgart weiß das. Im Training ist immer wieder zu sehen, wie er seinen Schützling trotz aller Diskussionen in den Arm nimmt, mit ihm lacht und versucht, ihm ein gutes Gefühl zu geben. So auch in diesen Tagen vor dem Auswärtsspiel am Sonnabend beim 1. FC Kaiserslautern (20.30 Uhr/Sky und Sport1).

„Wir haben diese Woche lange gesprochen. Und zwar nicht, weil es schlecht läuft, sondern weil es wichtig ist, im Austausch zu bleiben und auch mal seine Sichtweise zu kennen“, sagte Baumgart, der nicht allein in diese Aufgabe eingebunden ist. „Ludovit befindet sich auch sehr viel mit meinem Co-Trainer René Wagner im Austausch.“

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HSV: Wer nicht liefert, spielt nicht

Durch Reden und Streicheleinheiten allein wird Reis seinen Stammplatz allerdings nicht zurückgewinnen. Der laufstarke Profi wisse, dass „der Weg nicht einfach ist, um spielen zu können“, wird Baumgart deutlich und verweist auf den breiten Kader. Tatsächlich ist der wohl größte Konkurrenzkampf aller sieben Zweitligajahre der wohl größte Unterschied zu den vorherigen Spielzeiten.

Der HSV kann es sich inzwischen leisten, einen formschwachen Spieler wie Vizekapitän Reis auf die Bank zu setzen. „Es gibt keine Garantie zu spielen, nur weil man früher häufiger gesetzt war“, stellt Baumgart klar. „Man muss seine Leistung bringen und daran arbeitet Ludovit auch. Ich bin mir sicher, dass er um seine Wichtigkeit für uns weiß. Diese wird er auch behalten, weshalb wir noch viel Freude mit ihm haben werden.“

Reis wollte HSV im Sommer verlassen

Momentan ist die Freude allerdings sehr einseitig verteilt. In dieser noch jungen Saison hat Reis nicht ein überzeugendes Spiel bestritten. Möglicherweise liegt der Grund darin, dass er im Sommer nicht immer mit seinen Gedanken beim HSV war. Aus seinem Wechselplan hatte er jedenfalls kein Geheimnis gemacht. „Wir werden später sehen, was passiert“, sagte er zu Beginn der Transferperiode.

Zu diesem Zeitpunkt war seine Ausstiegsklausel allerdings schon abgelaufen. Nach einer überschaubaren Saison, die von zwei Schulterverletzungen und einer Operation geprägt war, fand sich kein Verein, der bereit war, eine millionenschwere Ablöse zu zahlen.

Reis trennte sich schließlich von seiner Berateragentur Wasserman, die keinen Interessenten für ihn fand, und schloss sich CAA Stellar an. Doch auch die weltgrößte Agentur konnte seinen Wechselwunsch nicht umsetzen. „Ludo bleibt“, stellte Baumgart bereits zwei Wochen vor dem Ende der Transferperiode klar. Zuvor hatte der Trainer seinem Spieler bereits versprochen, nicht mehr als Rechtsverteidiger aushelfen zu müssen, wie es in weiten Teilen der Rückrunde der Fall war. Eine Position, auf der Reis nicht glänzen konnte. Auch dieser Teil der Geschichte erklärt, warum die Interessenten im Sommer nicht Schlange standen.

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Öffentlich stärkte Baumgart Reis den Rücken, sprach von der „besten Entwicklung“, die er nur in Hamburg nehmen könne und einer „schönen Zeit“, die beiden noch bevorstehe. Hinter den Kulissen hatten die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Trainer und Reis im Sommer zugenommen. Dabei soll es auch etwas lauter zugegangen sein. Möglicherweise zu laut für Reis, der eine spezielle Zuneigung benötigt?

Robert Glatzel (l.) lief nach seinem Tor gegen Regensburg in die Arme von Ludovit Reis.
Robert Glatzel (l.) lief nach seinem Tor gegen Regensburg in die Arme von Ludovit Reis. © Imago | Oliver Ruhnke

Innerhalb der Mannschaft ist ihm die besondere Wertschätzung weiterhin sicher. Nach seinem Treffer gegen Regensburg (5:0) rannte Robert Glatzel zur Ersatzbank, um Reis in den Arm zu nehmen. In diesem Moment kehrte das Lächeln zurück ins Gesicht des Mittelfeldspielers, der nun allerdings auch den Kampf annehmen muss. Den Kampf um seinen Platz in der ersten Elf.

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