Hamburg. Bürgerschaft: SPD und Grüne wollen Proficlubs an den Kosten bei Risikospielen beteiligen. AfD-Chef Nockemann greift FC St. Pauli an.

Es war schon relativ spät am Mittwoch, als sich das Hamburger Rathaus nach einer langen Bürgerschaftssitzung um kurz vor 18.30 Uhr fast in ein Fußballstadion verwandelte. Nach bereits fünfstündiger Sitzung wurde unter Tagesordnungspunkt 41 als letzte Debatte doch noch über das angekündigte Thema „Mehr Sicherheit in Stadien und ihrem Umfeld“ diskutiert – und dabei sehr leidenschaftlich gestritten.

Der Hintergrund des gemeinsamen SPD- und Grüne-Antrags: Die beiden Koalitionspartner wollen analog zum Bundesland Bremen auch in Hamburg zukünftig Proficlubs an den Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen beteiligen. Für den HSV und den FC St. Pauli würde so eine Entscheidung einen hohen sechsstelligen Betrag im Jahr an Zusatzkosten bedeuten.

Bürgerschaft: Politiker stritten über Polizeikosten

Vor einer Grundsatzentscheidung muss allerdings zunächst einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abgewartet werden, das über eine Klage der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gegen das Bremer Modell entscheiden muss. In Bremen erhält bislang Werder Bremen als bislang einziger Proficlub die Rechnung für die Zusatzkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen.

Geht es nach Antragsteller Sören Schumacher, dann soll bei einem entsprechenden Gerichtsentscheid Hamburg schon bald nachziehen. Der SPD-Politiker, der selbst großer HSV-Fan ist, zeichnete in seiner Rede ein schwarzes Bild von Fußballspielen im Volkspark oder am Millerntor.

Sören Schumacher (SPD) hat eine klare Meinung zu den Polizeikosten bei Fußballspielen.
Sören Schumacher (SPD) hat eine klare Meinung zu den Polizeikosten bei Fußballspielen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia/Funke Foto Services

Laut Schumacher würde es „regelmäßig zu Gewalt“ in den Stadien kommen, der Politiker sprach von „massiver Gewalt untereinander oder gegen den Schiedsrichter“. Gestützt sind diese Behauptungen allerdings nicht durch Fakten – im Gegenteil. Beim HSV und St. Pauli weist man darauf hin, dass Gewalt in den Stadien, für die die Vereine zuständig sind, nahezu nie auftrete.

Trotzdem betonte Schumacher, dass man „diese Entwicklung nicht weiter dulden“ könne und sprach sich für einen Polizeikostenfond aller Proficlubs aus, um die Mehrkosten bei Polizeieinsätzen auf die Fußballvereine umzulegen. Der HSV und St. Pauli lehnen diesen Vorschlag vehement ab und verweisen stattdessen darauf, dass die Clubs schon jetzt eine wichtige Rolle bei Sozialprojekten einnehmen.

Auch Sina Imhof von den Grünen unterstützt den Antrag.
Auch Sina Imhof von den Grünen unterstützt den Antrag. © GRÜNE/Henning Angerer | GRÜNE/Henning Angerer

Trotzdem betonte auch Mitantragstellerin Sina Imhof (Grüne) in der aufgeheizten Debatte, dass „Fußball den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert“. Doch auch sie forderte weitere Maßnahmen für sichere und gewaltfreie Spiele im Profifußball.

Richtig turbulent wurde die Debatte, als Linken-Politiker Deniz Celik ans Mikrofon trat und sich gegen zahlreiche Zwischenrufe wie in einem Fußballstadion wehren musste. „Die Zahl der Straftaten im Verhältnis zu den Hunderttausenden, die jedes Wochenende in die Stadien gehen, ist extrem gering“, sagte Celik und verwies darauf, dass der Bedarf bei großen Festen wie dem Hafengeburtstag deutlich höher sei.

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Für den Linken-Politiker ist der SPD- und Grünen-Antrag deshalb ein „Angriff auf die Fankultur“. Er erinnerte noch einmal daran, dass die Fußballclubs „hervorragende Sozialarbeit“ leisten. Sein Fazit: Anders als von Schumacher behauptet, seien Fußballstadien eben keine gefährlichen Orte.

Ins Polemische geriet die Debatte, als Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann vor allem den FC St. Pauli in die Pflicht nehmen wollte. Beim Kiezclub wisse man nicht, ob es sich überhaupt noch um einen Fußballverein handele oder ob es nicht eher ein Politikverein mit angeschlossener Fußballabteilung sei.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht aus

Ein wichtiger Hinweis kam vom CDU-Abgeordneten Ralf Niedmers, der zu Gelassenheit mahnte und daran erinnerte, dass alle Diskussionen vor einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ohnehin hinfällig seien.

Einen konkreten Termin für die Urteilsverkündung gibt es im Übrigen noch gar nicht. Die emotionale Debatte dürfte also weitergehen.